19.09.2014 Schönefeld  – Ein letztes Mal. Klaus Wowereits gepanzerte Limousine erreicht Schönefeld, den Ort seiner großen Niederlage. So sagt es der scheidende Berliner Regierende Bürgermeister selbst. «Bruchpilot» haben sie ihn genannt für das, was er hier jahrelang tat. Ein letztes Mal also versucht Wowereit an diesem Freitag als Aufsichtsratschef die drängendsten Probleme des Baus zu […]

19.09.2014

Schönefeld  – Ein letztes Mal. Klaus Wowereits gepanzerte Limousine erreicht Schönefeld, den Ort seiner großen Niederlage. So sagt es der scheidende Berliner Regierende Bürgermeister selbst. «Bruchpilot» haben sie ihn genannt für das, was er hier jahrelang tat. Ein letztes Mal also versucht Wowereit an diesem Freitag als Aufsichtsratschef die drängendsten Probleme des Baus zu lösen, der mal sein Prestigeprojekt war: der neue Hauptstadtflughafen.

Wie immer wird stundenlang verhandelt, abgeschirmt in einer Ecke des Flughafengeländes. Dann wird der Baumeister seinen Baustelle verlassen und nur noch als Gast zurückkehren. Doch der Bau ist unvollendet. Eigentlich ist die Baustelle nicht mal richtig aufgeräumt. Zu viele Fragen sind offen, manche seit Jahren.

«Dies ist eine herbe Niederlage gewesen und das ist sie bis heute», bekannte der dienstälteste deutsche Landes-Regierungschef, als er vor drei Wochen mit Tränen in den Augen seinen Rückzug ankündigte. Dabei war der Flughafen nicht seine Idee, er hat sie geerbt. Doch Wowereit erhob den Bau zum wichtigsten Infrastrukturprojekt des Ostens – und sich selbst zum Oberaufseher. 

Er boxte das Projekt gegen jeden Widerstand durch, pries die erwarteten 40 000 neuen Arbeitsplätze, schloss unter viel Kritik den Flughafen Tempelhof ohne einen Plan für den Komplex. Ein halbes Jahr nach der Irgendwann-Eröffnung in Schönefeld soll auch Tegel schließen. Industrie, etwas Forschung, vielleicht ein Olympisches Dorf – ganz eindeutig sind die Pläne auch dort nicht.

Waren die Pläne für Schönefeld durchdacht? An diesem Freitag macht sich der Aufsichtsrat an eine Korrektur. Denn war die bei Baubeginn vorgesehene Kapazität von 22 Millionen Passagieren vielen Kritikern zu groß, kommt es nun anders. Mit 27 Millionen Passagieren ist die künftige Nummer drei der neue Flughafen schon vor dem Start zu klein. Doch dass sie den Touristenboom in dem Ausmaß nicht ahnten, ist den Verantwortlichen schwer vorzuwerfen.

Bleibt die Termin- und Kostenfrage: 1500 Aktenordner hat ein Untersuchungsausschuss im Abgeordnetenhaus durchforstet. Wowereit stehe in der Verantwortung für Missmanagement, Kontrollmängel und die Kostenexplosion, heißt es im Zwischenbericht der Grünen.

Die 30 Zeugenbefragungen ergaben aber auch, dass Berichte auf dem Weg vom Projektsteurer über die Geschäftsführung zum Aufsichtsrat geschönt wurden. Der Misserfolg von Schönefeld hat also viele Väter. Nur: Keiner hätte den Flughafen so zu seinem persönlichen Erfolg machen können wie Wowereit, wenn es glatt gelaufen wäre.

Ist es aber nicht. Als 2012 der Aufsichtsrat schon die Menüfolge der pompösen Eröffnungsfeier berät, geht es auf der Baustelle drunter und drüber. Nach zahllosen Planänderungen machen hektische Beschleunigungsversuche das Chaos perfekt: Viele bauen wie sie wollten, Pläne werden nachgereicht. Wenn überhaupt.

Das Vorhaben, 200 Brandschutztüren im Notfall von Hand zu schließen, um den Eröffnungstermin 3. Juni 2012 zu retten, sei ihm zwar «komisch» vorgekommen, sagte Wowereit im Zeugenstand. «Wir haben aber kritisch nachgefragt, und man hat uns erklärt, es funktioniert.» Klingt leichtgläubig – jedenfalls rückblickend.

Erfolgsgeschichte – kaum eine Flughafen-Rede Wowereits ohne dieses Wort, bis heute. Doch mit dem Platzen des Traums vor gut zwei Jahren beginnt Wowereits politischer Stern zu sinken. Er versucht, zu retten, was zu retten ist – wobei er es sich selbst schwer macht, als er die Architekten achtkantig rauswirft. «Jeder, der nur eine halbe Stunde darüber nachdenkt, hätte dieses nicht getan», sagt der gedemütigte Meinhard von Gerkan.

In den politischen Grabenkämpfen der drei Flughafen-Eigentümer Bund, Berlin und Brandenburg stützt Wowereit, wo es nur geht, den neuen Chef Hartmut Mehdorn. Er kämpft mit ihm gegen alle, die die Leistungsfähigkeit des Flughafens beschneiden wollen, allen voran Brandenburg. «Ich werde keine Politik mitmachen, die den Flugverkehr reduziert und Gäste abhält.» Nach einer dieser Sitzungen sagt Mehdorn: «Er war richtig gut heute.»

Im Juni dieses Jahres sagt Wowereit einen denkwürdigen Satz: «Dass Mehdorn das nochmal auf sich genommen hat, den Flughafen fertigzustellen, dafür könnte man auch mal – Dankbarkeit ist vielleicht zu viel – aber Achtung und Respekt aufbringen.» Es war, als fordere Wowereit dies auch für sich. (dpa)