Gefährlich? Nein. Anspruchsvoll? Aufgrund der vor Ort meist vorherrschenden Windsituation auf jeden Fall. Der Flughafen der portugiesischen Insel Madeira darf nur von Flugkapitänen nach entsprechender Schulung angeflogen werden Es ist an der Zeit, mit einem Vorurteil aufzuräumen: Der Anflug auf den Flughafen der portugiesischen Insel Madeira ist keinesfalls gefährlich! Einschlägige Fernsehreportagen mit entsprechend reißerischen Aussagen […]

Gefährlich? Nein. Anspruchsvoll? Aufgrund der vor Ort meist vorherrschenden Windsituation auf jeden Fall. Der Flughafen der portugiesischen Insel Madeira darf nur von Flugkapitänen nach entsprechender Schulung angeflogen werden

Es ist an der Zeit, mit einem Vorurteil aufzuräumen: Der Anflug auf den Flughafen der portugiesischen Insel Madeira ist keinesfalls gefährlich! Einschlägige Fernsehreportagen mit entsprechend reißerischen Aussagen hin oder her. „Anspruchsvoll ist er aufgrund der möglichen Scherwinde, okay. Nur Kapitäne mit entsprechendem Zusatztraining dürfen hier landen. Doch jeder von uns weiß, was er tut“, versichert Germania-Pilot Thomas Michaelis mit gelassenem Gesichtsausdruck.

Bewölkter Himmel und 20 Grad wurden ihm und dem First Officer des heutigen Fluges, Mike Sebrantke, wenige Minuten zuvor vom Zielort gemeldet. Windstärke und -richtungen lassen ebenfalls keine widrigen Verhältnisse erwarten. Die Voraussetzungen, die A319 mit dem Kennzeichen D-ASTU, die drei Stunden zuvor in Bremen gestartet ist, in etwa anderthalb Stunden auf der Piste 05 des Airports sicher aufzusetzen, sind also bestens, die Stimmung im Cockpit ist entspannt.

Michaelis steht seit mittlerweile elf Jahren bei der Berliner Fluggesellschaft in Diensten und ist seit 2016 dank umfassendem Simulatortraining und Einweisungsflug befähigt, den parallel zu einem steilen Berghang auf 58 Meter über NN liegenden Flughafen Madeira anzufliegen. Ein Instrumentenlandesystem (ILS) steht dabei nicht zur Verfügung – aufgrund der Topografie. Gegen- und Endanflug erfolgen ausschließlich auf Sicht. Ist diese zu schlecht oder der Wind zu stark, weichen die Fluggesellschaften auf die nicht einmal 50 Kilometer entfernte, aber klimatisch gänzlich andere Nachbarinsel Porto Santo aus. Das jedoch komme hier nicht häufiger vor als auf irgendwelchen anderen Flughäfen auf dem europäischen Festland – das versichern die Mitarbeiter am Flughafen Madeira mit Nachdruck, derweil die Kollegen auf Porto Santo stolz Foto um Foto geknipster Gegenteilsbeweise vorlegen.

Heute lässt die Crew des Germania-Flugs ST 1036 das winzige, nur 42 Quadratkilometer große Eiland, auf dem einst sogar Christoph Kolumbus seine frühen Ehejahre verbracht hatte, also links liegen und nimmt Kurs auf die Piste 05 des Airports der großen, wesentlich bekannteren Schwesterinsel. Dabei wird den auf der rechten Seite des Airbusses sitzenden Passagieren ein grandioser Blick auf den Flughafen, der sich 13 Kilometer von der Hauptstadt Funchal entfernt an der Südostküste zwischen den Orten Santa Cruz und Machico befindet, im Allgemeinen sowie auf die eigenwillige Konstruktion der rund 2800 Meter langen Start- und Landebahn im Besonderen geboten.

Diese steht partiell auf 180, bis zu 70 Meter hohen Beton-Säulen. Anders hätten die Piste und das Vorfeld um das Jahr 2000 herum nicht auf die aktuellen Ausmaße erweitert werden können. Was nötig war, denn die bis dahin zur Verfügung stehende Länge der einzigen Start- und Landebahn von 1800 Metern hinkte der Zeit merklich hinterher, wurde den Ansprüchen des modernen Luftverkehrs schlichtweg nicht mehr gerecht.

Ein Flughafen wie ein Flugzeugträger

Erstmals landete übrigens am 18. Juli 1964 ein Flugzeug, es war eine Super Constellation der TAP Air Portugal, auf dem heute oftmals mit einem Flugzeugträger verglichenen Flughafen. Die Start- und Landebahn hatte damals gerade einmal eine Länge von 1600 Metern, doch bereits Anfang der 1970er-Jahre – inzwischen erfreute sich die „Insel des ewigen Frühlings“, so auch Madeiras blumige Umschreibung in diversen Reiseführern, wachsender touristischer Beliebtheit – keimte vor Ort der Wunsch nach Ausbau. Ein völlig neues Terminal entstand, doch erst Jahre später, nach zwei verheerenden Unfällen 1977 – eine 727 der TAP Air Portugal überschoss an einem Novembertag die regennasse Piste und kippte die Klippe am Ende der Bahn 24 (heute 23) hinunter; im darauffolgenden Dezember stürzte eine Sud Aviation SE-210 „Caravelle“ der schweizerischen Charterfluggesellschaft SA de Transport Aérien (SATA) beim nächtlichen Landeanflug ab –, erfolgte zwischen 1982 und 1989 schließlich die zu jenem Zeitpunkt längst geplante, plötzlich jedoch als dringlich eingestufte Verlängerung der Start- und Landebahn um 200 Meter. Die Genfer Airline – die bald nach dem Unfall in ernste finanzielle Schwierigkeiten geriet und kurz darauf den Dienst quittieren musste – ist längst vom Markt verschwunden; TAP Portugal dagegen am Flughafen Madeira präsenter denn je.

Der portugiesische Nationalcarrier ist zweifellos der Platzhirsch auf dem derzeit viertgrößten Flughafen des Landes (nach Lissabon, Porto und Faro) und kam im Winterflugplan 2016/2017 in Bezug auf die angebotene Sitzplatzkapazität laut Analyse der britischen Official Airline Guide (OAG) auf einen Marktanteil von annähernd 40 Prozent. In gebührendem Abstand folgt EasyJet mit rund 20 Prozent. Insbesondere die britischen Carrier verspüren aktuell Rückenwind, legten sie doch 2016 die größten Wachstumsraten unter allen Madeira anfliegenden Airlines hin. Doch was nach dem Brexit kommt, bleibt abzuwarten.

Insgesamt bedienen 39 europäische Fluggesellschaften den überwiegend von Touristen genutzten Airport, darunter auch etliche Airlines aus dem deutschsprachigen Raum: Edelweiss Air beispielsweise, aber auch Austrian und Niki beziehungsweise Germania, Condor, TUIfly, Air Berlin oder seit November vergangenen Jahres nach mehrjähriger Pause auch wieder Lufthansa.

Generell zählte der deutsche Markt im abgelaufenen Bilanzjahr laut der portugiesischen Betreibergesellschaft ANA zu den wachstumsstärksten auf Madeira. Das Plus betrug 2016 satte 24 Prozent – „also 82 000 Reisende mehr als noch 2015“, so die Rechnung von Flughafensprecher Rui Schönenberger de Oliveira. Insgesamt betrage der Marktanteil jetzt 14 Prozent, und damit liege Deutschland hinter dem portugiesischen Inlandsmarkt und Großbritannien auf Platz drei. Im Jahresverlauf werden nicht weniger als 14 deutsche Flughäfen mit dem Insel-Flughafen verbunden, pro Woche stehen mehr als 30 wöchentliche Frequenzen im Flugplan.

Insgesamt ist der Airport mit 54 Zielen verknüpft. Die wichtigste Verbindung für Madeira ist laut OAG jedoch zweifellos die Lebensader nach Lissabon. In den Sommermonaten entfallen knapp unter 30, im Winter etwas mehr als 30 Prozent der wöchentlichen Sitzplatzkapazität allein auf die Hauptstadtverbindungen.

Konstante Steigerungsraten für Madeira Airport

Zusammengerechnet hat die Betreibergesellschaft ANA im vergangenen Jahr 2,97 Millionen Passagiere am Flughafen gezählt, 8,9 Prozent beziehungsweise rund 400.000 mehr als noch 2015. Und der Trend weist weiterhin nach oben. Die Geschäftsleitung des Flughafens, allen voran Direktor Duarte Ferreira, ist zuversichtlich, 2017 mindestens  3,3 Millionen Passagiere zu begrüßen.

Worauf sich der Optimismus stützt? Nun, auf die zahlreichen neuen Verbindungen, die in diesem Jahr bereits aufgenommen wurden beziehungsweise angekündigt sind und noch aufgenommen werden. Allein im aktuellen Sommerflugplan werden 30.000 zusätzliche Sitzplätze zwischen Großbritannien und der Atlantikinsel angeboten. Und aus Deutschland heraus bedient Condor bereits eine neue Madeira-Verbindung ab Hannover, zusätzlich werden im kommenden Winter beispielsweise aber auch Eurowings von Düsseldorf und Köln/Bonn aus sowie TUIfly ab Hamburg auf die Blumeninsel fliegen. Das Plus der deutschen Passagiere, so der Flughafen, dürfte fast elf Prozent betragen.

Ob das auf den jüngsten Marketingcoup der ANA zurückzuführen ist, sei dahingestellt. Seit Ende März vergangenen Jahres, achteinhalb Monate nach dem portugiesischen Triumph bei der Fußball-EM in Frankreich, hat der Flughafen Madeira mit dem mehrmals zum besten Fußballer der Welt gekürten Cristiano Ronaldo einen berühmten Namensgeber bekommen. Wenngleich diese Entscheidung vor allem auf der Insel heftig umstritten war, doch eine eigens initiierte Online-Petition bekam nicht ausreichend Unterstützung.

Nun gibt es also auf der Geburtsinsel des 32-jährigen Megastars neben einem Ronaldo-Museum, dem Ronaldo-Hotel und der überlebensgroßen Ronaldo-Statue in der Hauptstadt Funchal eben auch einen „Aeroporto Internacional da Madeira Cristiano Ronaldo“, in dem die Reisenden natürlich kaum an dem für Real Madrid spielenden Kicker vorbeikommen. Nicht nur, dass direkt vor dem Eingang eine weitere, wenngleich nur bedingt als gelungen zu bezeichnende kleine Bronzebüste aufgestellt wurde, im Ankunftsbereich gegenüber der Mietwagenschalter hängen großdimensionierte Bilder und luftseitig in der gänzlich neu gestalteten Shoppingzone warten unter anderem Ronaldo-Produkte – von Trikots über Badelatschen bis hin zu Sonnenbrillen – auf zahlungskräftige Käufer.

ANA investiert elf Millionen Euro in den portugiesischen Inselflughafen

Ausreichend Platz für ausgiebige Einkaufstouren kurz vor Abflug wurde 2016 geschaffen – im Rahmen einer umfassenden Modernisierung des Gebäudes. Rund elf Millionen Euro investierte die ANA jedoch nicht nur in eine Vergrößerung des Retail-areals um 1.800 Quadratmeter, sondern auch in einen generellen Ausbau der Kapazität. Der Personenkontrollbereich ist jetzt beispielsweise 1.500 statt bislang 650 Quadratmeter groß. Zusätzliche Spuren wurden eingerichtet, derzeit können 1400 Passagiere mitsamt ihres Handgepäcks pro Stunde überprüft werden, zuvor waren es maximal 720. Und: Gewartet wird im Abflugbereich nun auf insgesamt 650 statt bislang 300 Quadratmetern. Eine neue Transferhalle sowie drei zusätzliche Gates, eines für Schengen- und zwei für Non-Schengenflüge, wurden geschaffen. 60 Prozent der Investition flossen jedoch in eine Überarbeitung der Start- und Landebahn, des Taxiways und der direkt daran grenzenden Bereiche. Die nutzbare Fläche des Systems wurde um insgesamt 1.500 Quadratmeter vergrößert. Das mag marginal erscheinen, doch auf einem Flugzeugträger zählt bekanntlich ja auch jeder Zentimeter.

Text: Astrid Röben | Fotos: Dietmar Plath