28.02.2015 SunExpress, das vor 25 Jahren an den Start gerollte Joint Venture der Turkish Airlines und der Lufthansa, wird Ende dieses Jahres für den Lufthansa-Konzern mit A330-200 Langstreckenverbindungen ab Köln/Bonn aufnehmen. Anfang Dezember wurde offiziell verkündet, was schon längst hinter vorgehaltener Hand in der Branche gemunkelt wurde: SunExpress Deutschland wird ab Ende dieses Jahres für […]

28.02.2015

SunExpress, das vor 25 Jahren an den Start gerollte Joint Venture der Turkish Airlines und der Lufthansa, wird Ende dieses Jahres für den Lufthansa-Konzern mit A330-200 Langstreckenverbindungen ab Köln/Bonn aufnehmen.

Anfang Dezember wurde offiziell verkündet, was schon längst hinter vorgehaltener Hand in der Branche gemunkelt wurde: SunExpress Deutschland wird ab Ende dieses Jahres für den Lufthansa-Konzern, genau genommen unter der Marke Eurowings, Langstreckendienste ab dem Flughafen Köln/Bonn aufnehmen.

Geflogen wird zunächst mit drei A330-200, die von der Lufthansa gemietet werden, unter anderem nach Florida, zu Zielen im Indischen Ozean sowie ins südliche Afrika. Sollte sich das Angebot durchsetzen, steht mittelfristig einem Wachstum auf bis zu sieben Langstrecken-Flugzeuge nichts mehr im Wege (siehe Interview).

Somit führt der Kranich das zunächst innerhalb Europas eingeführte, auf einer kostengünstigen Basis aufgebaute Wings-Konzept auch auf der Langstrecke fort. Und plötzlich steht eine Fluggesellschaft im Rampenlicht, die bislang ohne viel Aufhebens zu arbeiten pflegte. Und das bereits seit einem Vierteljahrhundert.

1989 wurde SunExpress zunächst als reine Charterfluggesellschaft von Turkish Airlines und Lufthansa in der Türkei gegründet. Am 2. April 1990 rollte sie schließlich an den Start. Rasant bergauf ging es jedoch erst in jüngerer Vergangenheit. Zumal die Airline inzwischen von drei Geschäftssäulen – Charter- und Linienverkehr sowie dem Vermieten von Flugzeugen (ACMI-Geschäft) – getragen wird.

Zählte SunExpress 2011 noch 28 Flugzeuge, waren es im Sommer 2014 bereits 74 Boeing 737 – davon standen 14 bei der Tochter SunExpress Deutschland und 60 in der Türkei im Einsatz. Von den 60 Flugzeugen wiederum flogen 26 in SunExpress-Farben ab Antalya und Izmir internationale Charter- sowie türkische Inlandsverbindungen. 34 Boeing 737 waren im Wetlease für Turkish Airlines und deren Low-Cost-Marke Anadolu Jet unterwegs.

Anadolu Jet ist in Ankara und Istanbul Sabiha Gökcen beheimatet und bedient in erster Linie Verbindungen im Inland sowie einige internationale Routen gen Osten. Dazu kommen im Sommer ein paar ethnische Flüge nach Europa. „Für die Marke standen 28 unserer Flugzeuge im Einsatz. Somit stellen wir inzwischen die komplette Flotte“, berichtet Paul Schwaiger, Geschäftsführer SunExpress und SunExpress Deutschland. Und: „Die Zahl der Flugzeuge soll im kommenden Jahr sogar noch anwachsen.“ Dagegen sinke die Zahl der Boeing 737, die für Turkish Airlines fliegen. „Sie waren an die Bedürfnisse unserer Mutter angepasst, insbesondere aufgrund der vorhandenen Business Class. Doch die wiederum passt nicht wirklich zu unserem Charterflug- und Low-Cost-Konzept“, so der 60-Jährige.

Insgesamt stehen die Zeichen jedoch auf Wachstum. SunExpress – die über den Sommer für ihre deutsche Tochter Flugzeuge der brasilianischen Gol im Drylease dazumietet, um den Kapazitätsbedarf zu decken – hat Anfang 2014 beim Hersteller Boeing 50 Flugzeuge geordert. Der Vertrag umfasst 25 Boeing 737-800 und 15 Boeing 737-8 MAX sowie die Option auf zehn weitere 737-8 MAX. „Die ersten fünf kommen in diesem Sommer, und 2016 werden wir sieben Boeing übernehmen“, listet Schwaiger auf. Bis 2019 folgen weitere Flugzeuge jeweils in den Sommermonaten im Jahrestakt; insgesamt wird das Unternehmen bis dahin 40 neue Flugzeuge eingeflottet haben.

Allerdings: Im Gegensatz zur bisherigen Strategie, Flugzeuge zu leasen, wird SunExpress die Boeing 737 kaufen: „In der gegenwärtigen Kapitalmarktsituation ist Kaufen günstiger. Zudem erhält man derzeit beim Hersteller gute Konditionen“, erklärt Schwaiger. Man habe hart und erfolgreich mit Boeing über einen guten Kaufpreis verhandelt.

Ein Großteil der Bestellung sei eine Ersatzinvestition, ungefähr ein Viertel werde zum Expandieren benötigt. Doch Wachstum auf der einen Seite zieht ein Problem auf der anderen nach sich: Es ist als türkische Fluggesellschaft neben einer stark expandierenden Turkish Airlines nicht so einfach, geeignete Flugzeugführer zu finden. Derzeit sucht das Unternehmen wieder aktiv nach Piloten, in Deutschland übrigens über den Partner Interpersonal in Hamburg. In den Niederlanden arbeitet SunExpress eng mit Stella Aviation zusammen.

Insbesondere First Officer kämen gerne in die Türkei, „weil sie hier bis zu 1000 Stunden im Jahr fliegen dürfen. So ist die Chance groß, viele Flugstunden zu sammeln und schnell Karriere zu machen“, berichtet Schwaiger.

Astrid Röben

 

Interview mit Paul Schwaiger, Geschäftsführer SunExpress und SunExpress Deutschland

Paul Schweiger Sun Express

Paul Schwaiger: „Unsere Kostenstruktur ist unser großes Plus“. Bild: Dietmar Plath.

 

Paul Schwaiger ist seit Juli 2000 Geschäftsführer der SunExpress und in Personalunion auch Geschäftsführer der SunExpress Deutschland, die wiederum jetzt auch innerhalb des Lufthansa-Konzerns Langstrecke für Eurowings fliegen wird. Astrid Röben und Dietmar Plath sprachen mit ihm über die Details.

Aero: Herzlichen Glückwunsch! Sun-Express Deutschland hat von Lufthansa den Zuschlag für Langstreckendienste innerhalb der Wings-Gruppe erhalten. Womit konnten Sie punkten?

SCHWAIGER: Nun, bei uns läuft es operationell und wirtschaftlich sehr gut. Unsere Kostenstruktur ist unser großes Plus.

 

Aero: Start der Wings-Langstreckenoperation soll Ende dieses Jahres sein. Ist die Zusammenarbeit bereits angelaufen?

SCHWAIGER: Ja. Und die ersten Gespräche mit der Eurowings, für die wir fliegen werden, liefen bereits im Vorfeld sehr vielversprechend, so dass ich guter Dinge bin, dass beide Unternehmen gut zueinander finden werden.

 

Aero: Ist die Laufzeit des Vertrages befristet?

SCHWAIGER: Nein. Und wir werden alles geben, damit es für Lufthansa auch keinen Anlass gibt, darüber irgendwann einmal nachzudenken.

 

Aero: Wie sieht der Vertrag mit Lufthansa respektive Eurowings im Detail aus?

SCHWAIGER: Wir werden mit Eurowings einen Wetlease-Vertrag schließen. Ganz klassisch auf ACMI-Basis. Somit konzentrieren wir uns komplett auf den Betrieb der Flugzeuge, die wir wiederum im Drylease von der Lufthansa übernehmen werden. Wir stellen Flugzeugführer und Kabinenpersonal ein und bereiten diese Mitarbeiter für den Einsatz auf der Langstrecke entsprechend vor.

 

Aero: Wie und wo werden Sie Piloten rekrutieren?

SCHWAIGER: Wir arbeiten beispielsweise sehr eng mit der Hamburger Interpersonal zusammen. Auch wird es für unsere eigenen Piloten möglich sein, von der Boeing 737-800 auf das Langstreckenmodell A330-200 zu wechseln, zumal wir schon heute eine Menge langstreckenerfahrene Piloten im Unternehmen haben. Erste Priorität haben dabei allerdings die Mitarbeiter der SunExpress Deutschland.

 

Aero: Wie viele Mitarbeiter benötigen Sie für die ersten drei A330-200?

SCHWAIGER: Wir werden mindestens acht Crews pro Flugzeug benötigen – zumindest für das Flugprogramm, das bislang bekannt geworden ist. Das macht summa summarum jeweils 24 Kapitäne und Kopiloten. In der Kabine werden insgesamt 150 bis 160 Flugbegleiter gebraucht.

 

Aero: Warum werden Sie A330-200 und nicht die im Hinblick auf die Stückkosten effizientere A330-300 betreiben?

SCHWAIGER: Zum einen sind die 200er leichter im Markt verfügbar, zum anderen geht es um den Einstieg in ein neues Segment; da verfügt die A330-200 über eine adäquate Größe. Die A330-300 ist größer, und das Mehr an Kapazität will gefüllt werden.

 

Aero: Wie werden die Flugzeuge bemalt?

SCHWAIGER: Sie werden voraussichtlich die Bemalung der Eurowings und einen schriftlichen Zusatz am Rumpf „operated by SunExpress“ tragen.

 

Aero: Werden Sie die Wartung von Lufthansa Technik durchführen lassen?

SCHWAIGER: Für die Base Maintenance ist Lufthansa zuständig, für die Line Maintenance wir. Da werden wir den Anbieter wählen, der uns das beste Preis-Leistungs-Verhältnis bietet.

 

Aero: Sie werden unterschiedliche Produkte an Bord offerieren – auch eine Business Class „light“?

SCHWAIGER: Definitiv ja, es wird eine Premium Class mit anderen Sitzen und anderen Sitzplatzabständen geben. Wie genau der Sitz aussehen wird, ist allerdings noch nicht entschieden.

 

Aero: Wurde eine Exklusivität für die Wings-Langstreckenoperation vereinbart?

SCHWAIGER: Nein, das nicht. Es gibt aber bislang auch kein weiteres Unternehmen, das eine entsprechende Operation aufbaut.