Düsseldorf, 20. April 2015 Nach dem Germanwings-Absturz müssen sich Lufthansa, Versicherer und Anwälte einer unschönen Frage stellen: Wie viel sind 150 Menschenleben wert? Ein Poker um 278 Millionen Euro hat begonnen. Vier Wochen nach dem Absturz der Germanwings-Maschine formieren sich die Anwälte der Hinterbliebenen für die Verhandlungen mit der Lufthansa. Ein Versicherungskonsortium hatte bereits 278 […]

Düsseldorf, 20. April 2015

Nach dem Germanwings-Absturz müssen sich Lufthansa, Versicherer und Anwälte einer unschönen Frage stellen: Wie viel sind 150 Menschenleben wert? Ein Poker um 278 Millionen Euro hat begonnen.

Vier Wochen nach dem Absturz der Germanwings-Maschine formieren sich die Anwälte der Hinterbliebenen für die Verhandlungen mit der Lufthansa. Ein Versicherungskonsortium hatte bereits 278 Millionen Euro bereitgestellt. Die Summe ist für die Entschädigungszahlungen an die Hinterbliebenen und die Arbeit der Betreuungsteams sowie für den zerstörten Airbus A320 gedacht. Anwälte aus Deutschland, Spanien und den USA stehen bereits in Kontakt, um hohe Summen für ihre Mandanten herauszuholen.

Warum werden für Absturzopfer vergleichsweise hohe Summen ausgeschüttet – etwa im Vergleich zu Todesopfern von Autounfällen ?

Dem Lufthansa-Konzern und seiner Versicherung drohen jahrelange teure Prozesse in einer Reihe von Ländern, verbunden mit ständigen Negativ-Schlagzeilen. „Das ist eine multinationale Situation mit verschiedenen Rechtsordnungen“, sagt Hinterbliebenen-Anwalt Christof Wellens. „Es ist natürlich unschön, wenn man öffentlich versucht, den Opfern den Schaden kleinzurechnen. Entsprechend groß ist das Interesse an einer einvernehmlichen Lösung.“

Haben die Versicherer nicht ein Interesse, die Summe zu minimieren?

Auch die Versicherer, die sich gegen Ansprüche gerne mal jahrelang wehren, haben bei einer solchen Großschadenslage wenig Interesse an einer internationalen Prozesslawine. Dass die Airline zivilrechtlich haftet und zahlen muss, sei ohnehin klar, sagen die Anwälte. Die Lufthansa will dies nicht kommentieren.

Ist der Schadenersatz nach deutschem Recht gering?

Das hängt vom konkreten Fall ab. Bei der Familie, in der fünf Kinder bei dem Germanwings-Absturz ihre Eltern verloren haben, summierten sich auch nach deutschem Recht die Unterhaltsansprüche auf eine Millionenhöhe, sagt Anwalt Wellens. Emotionalen Schadenersatz für verlorene Kinder oder Angehörige, wie es das US-Recht kennt, sieht das deutsche Recht allerdings nicht vor.

Welche Summen stehen im Raum?

Die durchschnittliche Entschädigung pro Opfer dürfte siebenstellig werden. Der Einzelfall kann davon stark abweichen. Laut Rechtsanwalt Elmar Giemulla, der nach eigenen Angaben die Familien von mehr als 20 Absturzopfern vertritt, könnte am Ende Zahlungen von einer bis eineinhalb Millionen Euro pro Passagier stehen.

Wurde bereits Geld gezahlt?

Pro Opfer wurden 50 000 Euro Soforthilfe zugesagt. Bis vergangenen Freitag wurde nach Angaben der Lufthansa Soforthilfe für 111 Opfer ausgezahlt, also mehr als 5,5 Millionen Euro. „Sobald wir die notwendigen Unterlagen haben, wird die Auszahlung angewiesen“, versicherte ein Lufthansa-Sprecher heute.

Werden immer so hohe Summen gezahlt?

Die Summen schwanken enorm. Nach der Flugzeug-Kollision bei Überlingen am Bodensee 2002 verurteilte ein Gericht die Bashkirian Airlines 2009 zu je 15 700 Euro Schadenersatz pro getötetes Kind. Nach dem Concorde-Absturz 2000 bekamen die Hinterbliebenen der 113 Todesopfer dagegen etwa 173 Millionen Euro Entschädigung. Nach dem Absturz einer Egypt-Air-Maschine 1999 vor der US-Küste erklärten sich die Versicherungen bereit, für jeden der 217 Insassen etwa 70 000 Euro Entschädigung an die Hinterbliebenen zu zahlen.

Wer muss zahlen?

In dem Versicherungskonsortium, das sich auf die Übernahme der Kosten vorbereitet, spielt laut Lufthansa die Allianz eine führende Rolle.

Wie lange können die Verhandlungen dauern?

Nach dem Absturz der Concorde konnten sich die Beteiligten innerhalb eines Jahres einigen. Aber die Anwälte sagen auch: Der Abstimmungsbedarf sei gewaltig.