24.04.2015 Gewinnwarnungen, Dauerstreik und dann der Germanwings-Absturz mit 150 Todesopfern: Sein erstes Jahr als Lufthansa-Chef hat sich Carsten Spohr wohl leichter vorgestellt. Nun muss er sich der Kritik der Aktionäre stellen, die keine Dividende erhalten sollen. Frankfurt/Main/Hamburg (dpa) – Wenn am Mittwoch (29. April) in Hamburg die Aktionäre der Deutschen Lufthansa AG zusammenkommen, erwartet niemand Jubel […]

24.04.2015

Gewinnwarnungen, Dauerstreik und dann der Germanwings-Absturz mit 150 Todesopfern: Sein erstes Jahr als Lufthansa-Chef hat sich Carsten Spohr wohl leichter vorgestellt. Nun muss er sich der Kritik der Aktionäre stellen, die keine Dividende erhalten sollen.

Frankfurt/Main/Hamburg (dpa) – Wenn am Mittwoch (29. April) in Hamburg die Aktionäre der Deutschen Lufthansa AG zusammenkommen, erwartet niemand Jubel und Frohsinn. Die Hauptversammlung steht unter dem Eindruck des mit 150 Toten schlimmsten Flugzeugunglücks in der Geschichte des Unternehmens, dem wahrscheinlich vom Co-Piloten herbeigeführten Absturz eines Germanwings-Airbus.

Auch die wirtschaftliche Lage des größten Luftverkehrskonzerns Europas taugt nicht als Stimmungsaufheller. Das Management um den vor einem Jahr angetretenen Vorstandsvorsitzenden Carsten Spohr hat den Aktionären die Dividende gestrichen, weil nach deutscher Rechnungslegung (HGB) im abgelaufenen Geschäftsjahr 2014 ein Verlust von 732 Millionen Euro aufgelaufen ist. Dieses Ergebnis deckelt mögliche Ausschüttungen an die Eigentümer. Nach internationaler IFRS-Lesart steht gerade noch ein kleiner Gewinn von 55 Millionen Euro bei einem unveränderten Umsatz von rund 30 Milliarden Euro.

Es ist ein gewaltiges Rad, das der Konzern dreht, um am Ende mit einer schwarzen Null dazustehen. Richtig profitabel sind eigentlich nur die Service-Töchter für Technik und Catering, während der Flugbetrieb mit einer operativen Marge von 2,9 Prozent dauerhaft zu wenig Geld einfliegt. Auf der anderen Seite sind gerade bei der Kerngesellschaft Lufthansa besonders hohe Investitionen notwendig, um die überalterte Flotte auf Vordermann zu bringen. Auch wegen hoher Pensionslasten schmilzt das Eigenkapital des Konzerns, dem zu allem Überfluss noch der Rausschmiss aus dem Top-Index Dax droht.

Noch vor einem Jahr hat Spohr auf der Hauptversammlung die Bühne seinem scheidenden Vorgänger Christoph Franz überlassen, dessen überzogene Gewinnprognosen er dann ganz schnell in zwei Schritten auf ein realistisches Maß zurechtstutzen musste. 2015 soll es einen operativen Gewinn von deutlich über einer Milliarde Euro geben. Franz hatte fast das Doppelte angekündigt und gab seinem Nachfolger zum Abschied noch den ungeschickten Hinweis, dass die Zitrone – gemeint ist der gesamte Lufthansa-Konzern – «noch nicht ausgepresst» sei.

Spohr hat an die Stelle des technokratischen, alle Konzerneinheiten umfassenden Sparprogramms «Score» eine Strategie mit dem Titel «Our Way Forward» gesetzt. Es geht ihm darum, die Kernmarke Lufthansa zu einem absoluten Premium-Anbieter umzubauen, der mit einem 5-Sterne-Ranking des Fachmagazins «Skytrax» höchsten Ansprüchen genügt. Bislang haben diese Auszeichnung nur Fluggesellschaften aus Asien und dem Mittleren Osten erreicht, die gleichzeitig die größten Konkurrenten der Lufthansa sind.

Für die breite Masse der Passagiere soll es eine auf Wachstum ausgerichtete Billig-Plattform namens Eurowings geben, auf der künftig die unterschiedlichen Konzerngesellschaften möglichst kostengünstige Flüge in ganz Europa und sogar auf der Langstrecke anbieten. In diesem Konstrukt soll auch die Unglücks-Airline Germanwings aufgehen. Dass ihr Name bereits im Herbst aus Werbung und Buchungssystemen verschwindet, war aber bereits vor dem Absturz von 4U9525 in den französischen Alpen geplant.

Offen ist die Frage, ob das Top-Management die Belegschaft auf dem Weg vorwärts mitnehmen kann. Die Krise bietet möglicherweise dazu die Chance, zumal Spohr im Krisen-Management vieles richtig gemacht hat. Insbesondere die Pilotengewerkschaft Vereinigung Cockpit hat sich bislang mit Macht gegen die Billig-Strategie gesträubt, hat für die Privilegien der Piloten bereits zwölfmal gestreikt und dem Unternehmen weit über 200 Millionen Euro Schaden zugefügt. Der härteste Tarifkonflikt in der nun 60-jährigen Geschichte der Kranich-Linie ist alles andere als beigelegt, er wurde nur aus Respekt vor den Absturzopfern ruhen gelassen.

Christian Ebner, dpa