30.11.2014 Die kleine, aber feine Fluggesellschaft aus Österreich muss immer eine Idee mehr als ihre Wettbewerber in petto haben, um im hart umkämpften deutschsprachigen Regionalverkehrsmarkt bestehen zu können. Der Countdown läuft, unbarmherzig schreitet der Uhrzeiger voran, nur noch wenige Sekunden bis High Noon: Spätestens um 11 Uhr, 59 Minuten und 59 Sekunden muss die ATR […]

30.11.2014

Die kleine, aber feine Fluggesellschaft aus Österreich muss immer eine Idee mehr als ihre Wettbewerber in petto haben, um im hart umkämpften deutschsprachigen Regionalverkehrsmarkt bestehen zu können.

Der Countdown läuft, unbarmherzig schreitet der Uhrzeiger voran, nur noch wenige Sekunden bis High Noon: Spätestens um 11 Uhr, 59 Minuten und 59 Sekunden muss die ATR 72-600 der InterSky den grauen Asphalt der 1500 Meter langen Start- und Landebahn des Flughafens St. Gallen-Altenrhein berührt haben, sonst wird es teuer. Die Mittagsruhe ist den Schweizern heilig, eine Störung lassen sie sich gut bezahlen, das wissen die Verantwortlichen der kleinen Fluggesellschaft ebenso wie der Auftraggeber des Fluges, ein schweizerisches Fußball-Management-Unternehmen.

Dass dieser ganz spezielle Charterflug im Einklang mit den Betriebszeiten geplant war, versteht sich daher von selbst. Doch was will man machen, wenn Borussia Dortmund allein die Passagierliste füllt? Wenn Subotic, Sokratis, Sahin zu den Fluggästen zählen? Wenn bereits beim Check-in wahre Menschentrauben Autogramme sammeln und lokale wie überregionale Medien noch einmal schnell ein Interview mit Trainer Jürgen Klopp zum Genesungsfortschritt des Langzeitverletzten Ilkay Gündogan führen möchten?

Borussia Dortmund mit InterSky

Ende Juli flog Borussia Dortmund mit InterSky vom Ruhrgebiet nach St. Gallen-Altenrhein. Bild: Dietmar Plath

 

Europäische Spitzenclubs oder, wie im vergangenen Mai, Fußballnationalmannschaften zu fliegen, ist eine Herausforderung, zweifellos, doch die InterSky nimmt sie gerne an. „Wir haben uns innerhalb kürzester Zeit einen sehr guten Ruf in dieser Nische erarbeitet“, freut sich Renate Moser, Gründerin und Geschäftsführerin der im österreichischen Bregenz ansässigen, aber operationell im 30 Minuten entfernten deutschen Friedrichshafen beheimateten Airline. Und Sonderflüge wie jenen von Dortmund nach St. Gallen-Altenrhein ließen sich nun einmal hervorragend in den Linienflugplan des familiär geführten Unternehmens einbauen. Direkt im Anschluss an den regulären Morgenflug Friedrichshafen – Düsseldorf überführten die Piloten der eingesetzten ATR 72-600, Gerhard Müller und Martin Bodner, die Turboprop zum lediglich 55 Kilometer Luftlinie entfernten westfälischen Airport, um die Kicker an Bord zu nehmen. „Und von St. Gallen-Altenrhein zurück zur Basis nach Friedrichshafen sind es gerade einmal drei Minuten Flugzeit“, berichtet Kopilot Bodner, der bei der InterSky zusätzlich zu seinen fliegerischen Aufgaben das Charter-Geschäft managt.

Derzeit erwirtschaftet seine Sparte etwa zehn Prozent des Gesamtumsatzes der Fluggesellschaft (2013 waren das 34,7 Millionen Euro), doch die Geschäftsleitung erwartet, dass sich dieser Anteil in den kommenden Jahren sukzessive erhöhen wird. Die ATR, seit 2013 in der Flotte, lasse sich hervorragend für diese Aufgaben vermarkten, berichtet Moser. Und InterSky lege sich nun einmal ganz besonders ins Zeug, wenn eine entsprechende Anfrage kommt: „Wir sind flexibel, schnell mit dem Angebot und konkurrenzfähig mit den Preisen“, beginnt die Airlinechefin die Aufzählung, bevor sie zu dem in ihren Augen herausstechendsten Argument kommt: „Wir sprühen bei jedem Auftrag vor Begeisterung! Unsere Kunden sind uns sehr wichtig, und das lassen wir sie jede Minute spüren.“

So steht es außer Frage, dass die Cockpit-Crew des Borussia-Charterfluges alle nur erdenklichen Möglichkeiten nutzt, um die anfängliche Verspätung in der Luft wieder aufzuholen und die Kicker pünktlich – sprich: ohne Mehrkosten – nach St. Gallen-Altenrhein zu fliegen, wo die ATR einen Wimpernschlag vor 12 Uhr schließlich landet. Airline wie Auftraggeber sind glücklich, und der Flughafen nimmt‘s sportlich.

 

Ein bisschen besser sein

Differenzierung, ein bisschen besser sein als die Wettbewerber – das ist wohl der wichtigste Term in der Formel für den Erfolg. Für InterSky hat es oberste Priorität. So wird beispielsweise jeder Fluggast an Bord der selbst ernannten Bodensee-Airline von der Geschäftsführerin höchstpersönlich begrüßt. Zugegeben, nicht gerade per Handschlag, dafür jedoch über Bordlautsprecher, denn Renate Moser spricht die Sicherheitsinstruktionen, die die 36 beschäftigten Flugbegleiterinnen und der eine Flugbegleiter parallel dazu praktisch vorführen, selbst.

Die gebürtige Wienerin ist trotz ihrer inzwischen 72 Jahre die Mutter des Vorarlberger Unternehmens, das sie selbst 2001 im Alter von 59 Jahren aus der Taufe gehoben hat (siehe Kasten). Nicht wenige Branchenkenner stempelten InterSky damals als Eintagsfliege ab. Moser belehrte die Zweifler eines Besseren – verschweigt aber nicht, dass es in den vergangenen 13 Jahren auch existenzielle Krisen zu meistern galt. 2011 beispielsweise, als die Fluggesellschaft mit dermaßen großen finanziellen Schwierigkeiten zu kämpfen hatte, dass sich Moser, die sich eigentlich bereits aus dem Tagesgeschäft zurückgezogen hatte, gezwungen sah, erneut die Zügel in die Hand zu nehmen.

Heute leitet sie die Geschicke der Firma gemeinsam mit Peter Oncken, der mit dem 2012 erfolgten Einstieg der Intro Aviation GmbH zur InterSky stieß. Hinter der deutschen Beratungs- und Investmentfirma, die aktuell 74,9 der Anteile an der Airline hält, steht wiederum der fränkische Multiunternehmer Hans Rudolf Wöhrl. „Als uns klar wurde, dass wir neben unseren drei 50-sitzigen Q300 künftig auch 70-Sitzer benötigen und diese Investition nicht allein stemmen können, fiel die Wahl bei der Suche nach Investoren natürlich auf einen Partner, den man seit Jahrzehnten sehr schätzt“, erklärt Moser den Schritt, den sie bis heute nicht bereut hat. Angst, dass InterSky dasselbe Schicksal erleiden könnte wie die von Intro gekauften und kurzerhand wieder verkauften Airlines Dba oder LTU, hatte sie nicht.

Wöhrl sprach sich für den Kauf der ATR 72-600 aus und überzeugte selbst die letzten Zweifler im Hause, gab es doch eine Fraktion bei InterSky, die lieber auf Flottenhomogenität setzen wollte und somit das Alternativmodell, die Q400, bevorzugten. Im Nachhinein betrachtet war die getroffene Wahl, so Moser, jedoch eine sehr gute. Denn die ATR lasse sich wesentlich kostengünstiger betreiben als das Modell aus dem Hause Bombardier. Derzeit fliegt die InterSky mit zwei ATR 72-600 und drei Q300. Was sicherlich nicht gerade ein ideal zu nennender Zustand ist, das weiß die Geschäftsführerin, doch „mindestens eine Q300 werden wir auch weiterhin betreiben“, denn es gebe Verbindungen, auf denen dieser Flugzeugtyp die einzig wahre Option sei – „nach Elba beispielsweise. Dort kann die ATR 72 nämlich aufgrund einiger Beschränkungen nur mit etwa 40 Passagieren an Bord landen“.

ATR 72-600 der InterSky

Mit der ATR 72-600, die die Registrierung OE-LID trägt, hat InterSky am 26. November 2013 mit dem Flug von Friedrichshafen nach Krasnodar einen Weltrekord aufgestellt. Der längste kommerzielle Nonstop-Flug dieses Flugzeugtyps dauerte fünf Stunden und 23 Minuten bei einer Distanz von 2493 Kilometern. Bild: Dietmar Plath

 

Flüge auf die italienische Insel, im Sommer bedient ab Friedrichshafen, St. Gallen-Altenrhein, Zürich und München, zählen für InterSky ebenso zu den Brot-und-Butter-Strecken wie Zürich – Graz. Und sowohl nach Elba als auch von und zur schweizerischen Metropole könnten in Zukunft weitere Verbindungen hinzukommen, lässt sich Moser in die Karten schauen. Jedoch: Elba ist aufgrund der touristischen Ausrichtung ein saisonales Geschäft und der Zürcher Markt, so die Geschäftsführerin weiter, „derzeit sehr volatil. Swiss hat gerade den Wettbewerb gegen die Etihad Regional forciert, und es liegt uns fern, ebenfalls unter die Räder zu kommen“. Zwar habe man ein sehr gutes Gesprächsklima mit der Swiss, aber „wir müssen abwarten, wie es sich entwickelt. Im Winter würden wir ganz sicher nicht mit einer neuen Verbindung starten. Wir reagieren sehr bedacht auf jede Marktlücke, die sich öffnet“.

Doch ebenso schnell zieht InterSky inzwischen auch die Reißleine, wenn Wettbewerb naht – so jetzt auf der erst vor einem halben Jahr eröffneten Strecke Dresden – Zürich, auf der die Vorarlberger ab Ende Oktober der aggressiv in den Markt stoßenden Etihad Regional den Vortritt lassen wird. Aus Gründen der Vernunft, wie es aus Bregenz heißt.

Die frei werdende Kapazität könne Inter-Sky, die übrigens jüngst vom US-amerikanischen Dienst Flightview als pünktlichste Linienfluggesellschaft im deutschsprachigen Raum ermittelt wurde, jedoch problemlos anderweitig nutzen – dank der starken Nachfrage im Charterbereich. Zudem seien in den kommenden Wintermonaten sogenannte C-Checks geplant.

Was der kommende Sommer an neuen Verbindungen bringen wird, evaluiert InterSky derzeit. „Das macht bei uns der Roger Hohl, und das macht er hervorragend“, verlässt sich Moser ganz auf ihren Sales- und Marketing-Manager. Überhaupt sei es jetzt so langsam an der Zeit, Verantwortung in jüngere Hände zu legen, damit habe sie überhaupt kein Problem – wenn sie denn sicher sein kann, dass in ihrem Sinne agiert wird. InterSky und vor allem die Menschen, die für InterSky arbeiten, liegen ihr doch sehr am Herzen.

Astrid Röben

 

Sturmerprobt wie kaum eine andere

Es klingt absurd, doch Renate Moser gründete ausgerechnet kurz nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 – in Zeiten, als der weltweite Luftverkehr eine seiner größten Krisen durchfliegen musste – eine Fluggesellschaft. Behilflich war seinerzeit der Flughafen Bern, heute hat InterSky ihre operationelle Basis in Friedrichshafen.

Samstag, 8. September 2001: Voller Zuversichtlich fliegt Renate Moser, bis dato für das Marketing und die PR der österreichischen Rheintalflug verantwortlich, die ihr Lebenspartner Rolf Seewald kurz zuvor an die AUA verkauft hatte, in die Karibik. Ein Treffen mit der British West Indies Airways (BWIA) steht auf dem Programm. Die Airline plant, jene beiden Dash 8-300 zu kaufen, die Austrian nicht übernehmen wollte. Ein „Letter of Intent“ wird unterschrieben, am Dienstag, 11. September, geht es zurück nach Europa. Dann der Schock: „Als ich angekommen bin, war die Welt nicht mehr die gleiche“, erinnert sich Moser heute. Die Terroranschläge des 11. September führten zu einer Krise im Weltluftverkehr. BWIA sah sich lediglich imstande, im Verlauf der folgenden Wochen eine der Turboprops übernehmen. Auf einer Maschine blieb die gebürtige Wienerin sitzen – und machte aus der Not eine Tugend.

Nicht zuletzt dank des schweizerischen Flughafens Bern. Die Verantwortlichen dort, allen voran Charles Riesen, versprachen Bedarf für Charterverkehr. Mosers Stunde war gekommen. Weil Seewald zu jenem Zeitpunkt noch bei der AUA beschäftigt war, lag es an ihr, ein Unternehmen für den Betrieb der Dash zu gründen. „Das war die Geburtsstunde der InterSky“, so Moser, die somit als erste Airlinegründerin weltweit in die Annalen der Verkehrsluftfahrt einging.

Der Erstflug von Bern nach Berlin-Tempelhof fand am 25. März 2002 statt. 2003 konnte bereits ein zweites Flugzeug beschafft werden, mit dem InterSky dann auch ab Friedrichshafen flog. Ein Glücksgriff. Denn schon bald entwickelten sich die Strecken ab dem Bodensee-Airport deutlich besser als die ab Bern. 2005 erfolgte schließlich der komplette Umzug. Im Februar 2006 stieß Flugzeug Nummer drei, im April 2008 Flugzeug Nummer vier zur Flotte – allesamt Q300. Ende 2010 dann der erste größere Rückschlag: Erstmals in seiner Geschichte schrieb das Unternehmen rote Zahlen; Mitte 2011 stand es kurz vor dem Konkurs, berappelte sich aber nach einem Wechsel in der Geschäftsführung. Moser, die die Firmenleitung zu jenem Zeitpunkt bereits abgegeben hatte, kehrte ins Tagesgeschäft zurück. 2012 stieg Intro Aviation in die InterSky ein und ermöglichte so den Kauf der ersten eigenen ATR 72-600 (Foto unten). Im Januar 2013 traf die erste fabrikneue Turboprop in Friedrichshafen ein, wo InterSky nach wie vor ihre operationelle Basis hat.