Berlin, 27. Juli 2014 Die Welt trauert um die Opfer von Flug MH17. Doch weder Trauer noch Druck bringt die Konfliktparteien in der Ostukraine dazu, freien Zugang zur Unglücksstelle zu gewähren. Fast zwei Wochen sind seit dem Schock vergangen: 298 Menschen starben, als die malaysische Boeing 777-200 über der Ostukraine abstürzte, mutmaßlich abgeschossen von einer […]

Berlin, 27. Juli 2014

Die Welt trauert um die Opfer von Flug MH17. Doch weder Trauer noch Druck bringt die Konfliktparteien in der Ostukraine dazu, freien Zugang zur Unglücksstelle zu gewähren.

Fast zwei Wochen sind seit dem Schock vergangen: 298 Menschen starben, als die malaysische Boeing 777-200 über der Ostukraine abstürzte, mutmaßlich abgeschossen von einer Rakete. Nötig wäre ein Großeinsatz, um endlich auch die letzten Opfer von Flug MH17 zu bergen. Doch in dem brandgefährlichen Konfliktgebiet verzögert sich Hilfe immer weiter. Eine Zwischenbilanz in Fragen und Antworten:

Wie ist die Lage an der Absturzstelle bei Grabowo in der Ostukraine?

Am Sonntag tobten dort heftige Panzergefechte zwischen ukrainischen Truppen und prorussischen Separatisten. Damit schwand die Hoffnung weiter, Opfer und Hinweise auf die Unglücksursache finden zu können. In den ersten Tagen waren zwar mehr als 200 Tote geborgen worden, die mittlerweile in den Niederlanden sind. Aber auch danach sind Beobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit (OSZE) immer wieder auf unentdeckte Wrackteile gestoßen, auf Tote und deren Habseligkeiten, die verstreut in Wäldern und Feldern lagen.

Bekommen internationale Experten Zugang?

Nach anfänglichen Behinderungen haben die OSZE-Vertreter jeden Tag die Unglücksstelle besuchen können. Sie nahmen auch einzelne Experten der Niederlande, Australiens und Malaysias mit. Vereinbart wurde dies ohne viel Aufhebens mit der Separatistenführung in Donezk. Allerdings konnten die Ausländer nur die Lage dokumentieren, nicht Opfer bergen oder nach der Ursache suchen.

Für den Einsatz größerer Teams aus Medizinern, Luftfahrtexperten und Polizisten sind komplizierte Absprachen nötig. Die federführenden Niederlande wollen eine internationale Polizeitruppe. Kiew muss dem zustimmen, eventuell sogar der UN-Sicherheitsrat. Die Aufständischen hatten nach Verhandlungen mit der OSZE und Malaysia zugestanden, größere ausländische Gruppen an die Unglücksstelle zu lassen. Doch am Sonntag machten die Kämpfe, angeblich begonnen von den Ukrainern, die Hoffnung zunichte. Der Abstimmungsprozess muss von vorn beginnen.

Ist die Absturzursache geklärt?

Noch immer gilt ein Treffer mit einer Rakete, abgefeuert von einem „Buk“-Flugabwehrsystem, als wahrscheinlichste Unglücksursache. Die Wrackteile des Boeing-Rumpfes weisen nach Augenzeugenberichten Einschlaglöcher auf, die von Schrapnell stammen könnten. Flugabwehrraketen zerstören Flugzeuge mit solchen kleinen Metallteilen. Die Flugschreiber der Boeing werden in London ausgewertet. Erste Daten deuteten auf einen „explosionsartigen Druckabfall“ hin, was zu einem Raketentreffer passe, zitierte der US-Sender ABC einen nicht genannten Experten ohne weitere Details.

Unklar bleibt, wer die als Ursache vermutete Rakete abgefeuert hat. Die Ukraine und der Westen haben die Separatisten im Verdacht, Moskau und die Rebellen verdächtigen die ukrainische Armee. Klarheit könnten nur Satellitenbilder des Raketenstarts bringen. Aber Russland hat bislang nur spärliches Fotomaterial veröffentlicht, die USA gar keines. Beide wollen nicht zu viel über die Qualität ihrer Aufklärung verraten.

Hat sich die Katastrophe dämpfend auf die Kämpfe ausgewirkt?

Eher im Gegenteil. Die ukrainische Armee sieht sich trotz hoher Verluste derzeit im Osten in der Offensive. Sie hat kleinere Städte wie Lissitschansk zurückerobert und rückt auf die Großstädte Donezk und Lugansk zu. Der Beschuss trifft aber viele Zivilisten. Harte Kämpfe liefern sich Armee und Aufständische auch um die Kontrolle der Grenze zu Russland.

Bedeutet die Tragödie einen Wendepunkt in dem Konflikt?

Wenn es nach dem Tod von 298 Menschen Hoffnung auf ein Einlenken aller Seiten gab, hat sie sich nicht erfüllt. Die Kämpfe gehen weiter. Kiew gibt sich unbeugsam. Russland unterstützt weiterhin die Separatisten. Darüber ist Verhältnis des Westens zu Moskau so schlecht geworden wie seit den Zeiten des Kalten Krieges nicht mehr. In wenigen Tagen sollen erste Wirtschaftssanktionen der EU gegen Russland in Kraft treten.

Friedemann Kohler, dpa