05.04.2015 Mit einer reinen Turbopropflotte mischt Villa Air respektive ihr unter dem Namen Flyme fungierender Flugbetrieb den Luftverkehr auf den Malediven auf, wobei sie den touristischen mit dem regulären  Inlandsflugverkehr kombiniert. Eine Fluggesellschaft auf den Malediven ohne Wasserflugbetrieb? Geht nicht, gibt’s nicht. Zumindest nicht, wenn diese Fluggesellschaft im Inland unterwegs ist. So oder ähnlich muss […]

05.04.2015

Mit einer reinen Turbopropflotte mischt Villa Air respektive ihr unter dem Namen Flyme fungierender Flugbetrieb den Luftverkehr auf den Malediven auf, wobei sie den touristischen mit dem regulären  Inlandsflugverkehr kombiniert.

Eine Fluggesellschaft auf den Malediven ohne Wasserflugbetrieb? Geht nicht, gibt’s nicht. Zumindest nicht, wenn diese Fluggesellschaft im Inland unterwegs ist. So oder ähnlich muss die Führungsspitze von Flyme gedacht haben, als der Entschluss fiel, ein Amphibienflugzeug zu beschaffen. Gesagt, getan, und so landete im April 2014 eine Cessna 208 „Caravan“ auf dem kleinen Villa International Airport auf der Insel Maamigili im Südlichen Ari-Atoll, rund 30 Flugminuten südwestlich der Hauptstadt Malé. Dort wurde das Flugzeug über und über mit Tupfen und Flecken bepinselt, bis es schließlich aussah wie ein Fisch, dann startete der Testflugbetrieb. In dessen Rahmen wurden drei Piloten mit den Feinheiten des Amphibienflugzeugs vertraut gemacht – was diesen nicht allzu schwer fiel, stammten sie doch sämtlich von der alten Maldivan Air Taxi (MAT), die ausschließlich Wasserflugzeuge – DHC-6 Twin Otter – betrieben hatte.

Im Gegensatz zu MAT, die inzwischen mit der Trans Maldivian Airways (TMA) fusioniert hat, wird Flyme ihren fliegenden Fisch jedoch nur auf Charter- bzw. Sightseeingflügen einsetzen und nicht, wie der Mitbewerber, zum Touristentransport zwischen Flughafen und Urlaubsresort nutzen. Anders als mit Flugzeug oder Schiff kommt man auf den Malediven nämlich nicht sehr weit. Der Inselstaat besteht aus einzelnen Inselgruppen beziehungsweise Atollen mit insgesamt rund 1190 Eilanden, die sich über 750 Kilometer Länge und 120 Kilometer Breite erstrecken. Nur 200 Inseln und Inselchen sind von den knapp 350.000 Einheimischen besiedelt, 88 werden touristisch genutzt und sind als mehr oder weniger – zumeist jedoch mehr – luxuriöse Urlaubsresorts ausgebaut. Jeder Tourist, der also auf dem Malé International Airport ankommt, reist spätestens am nächsten Tag weiter zu seinem Resort. Und genau das ist das Schlüsselargument, weshalb Riluwan Shareef, Managing Director und Mann der ersten Stunde bei Flyme, im normalen Passagiergeschäft auf Landflugzeuge setzt. Denn der Wasserflugbetrieb kann nur bei Tageslicht durchgeführt werden, was in einem Land, in dem um sechs Uhr abends die Dämmerung einsetzt, internationale Linienflüge aber auch noch um elf Uhr nachts am Hauptstadtflughafen eintrudeln, nicht zwangsläufig opportun ist, wenn man den  Passagierkomfort als Messlatte anlegt. Insofern stützt sich Flyme im Liniendienst auf  bewährte Arbeitspferde aus europäischer Produktion, und zwar auf ATR-Turboprops. Die fliegen nämlich auch nachts.

Des Kunden Wohl liegt Flyme stark am Herzen. Die Fluggesellschaft, die erst 2011 den Flugbetrieb aufgenommen hat, gehört zur Villa Group, einem touristischen Schwergewicht mit zahlreichen internationalen Töchtern und etlichen Resorts. Um vor allem letztere optimal und ohne die Hilfe von Dritten bedienen zu können, hatte Villa-Gründer und -Chairman Qasim Ibrahim, einer der einflussreichsten Männer auf den Malediven mit großem politischem Engagement – unter anderem war er mehrere Jahre lang Finanzminister des Landes gewesen –, die kleine Fluggesellschaft ins Leben gerufen. Gleichzeitig hatte Ibrahim auch den Bau eines eigenen Flughafens, des Villa International Airports, nahe zweier seiner Resorts auf der Insel Maamigili initiiert, der etwa zeitgleich mit Flyme den Betrieb aufnahm. Der Villa Airport ist operatives Herz der Fluglinie und Wartungsbasis für deren nunmehr fünf Flugzeuge.

Begonnen hatte die kleine Fluggesellschaft seinerzeit mit zwei ATR 42-500 aus Beständen von Air Dolomiti. Sie waren im April und Juni 2011 übernommen worden, und seither wurden 738.000 Passagiere transportiert. Und zwar so, wie sich das die Führungsspitze der Gesellschaft vorstellt: Die nach einem Langstreckenflug ein wenig müden Gäste steigen in ein Flugzeug um, das mit Druckkabine, Klimaanlage und Ledersitzen versehen ist und sie auch zu später Stunde noch in unmittelbare Nähe ihres Resorts transportieren kann, das nach einer sich anschließenden kurzen Bootsfahrt erreicht wird. Das Abenteuer Wasserfliegen können die Urlauber dann ein paar Entspannungstage später separat bestehen, und zwar auf einem Rund- und Sightseeingflug mit dem „Seeplane“ Cessna Caravan.

Schon kurz nach Flugbetriebsaufnahme wurde klar, dass das Geschäftskonzept aufzugehen schien, und Flyme wollte ihre kleine Flotte vergrößern. Infrage kam zum damaligen Zeitpunkt eigentlich nur die ATR 72-600, von der im Februar und Oktober 2013 zwei Exemplare auf dem Villa Airport eintrafen. Ende 2014 und Anfang 2015 stießen zwei weitere ATR 72-500 aus Beständen von Borajet zur Flotte, so dass die beiden alten 42-500 ausgemustert werden konnten.

Durch die einheitliche Flotte können jetzt jedes Flugzeug auf jeder Strecke eingesetzt sowie neun der insgesamt zwölf Flughäfen auf den Malediven bedient werden. Und das zu Kosten, so Shareef, die mehr als wettbewerbsfähige Preise – je nach Strecke und Auslastung um 40 bis 60 Prozent unter den Tarifen der wasserfliegenden Konkurrenz – ermöglichten.

Resort der Flyme

Nahe des Dharavandhoo Domestic Airports befindet sich ebenfalls ein Resort der Villa-Gruppe. Bild: Dietmar Plath

 

Mehr Komfort durch schnellere und klimatisierte Flugzeuge, ein kostengünstiger Flugbetrieb und vor allem größere Kapazitäten sorgten denn auch für bessere Buchungszahlen und eine höhere Belegung der zur Villa-Gruppe gehörenden Resorts. Die Dienste zu den Airports von Maamigili und dem nördlich von Malé gelegenen Dharavandhoo, in dessen Nähe die Villa-Gruppe ebenfalls ein Resort betreibt, sind überwiegend touristisch getrieben. 95 Prozent der Passagiere sind Urlauber, in der Nähe der dort liegenden Resorts leben nur wenige Einheimische. Anders sieht es bei den übrigen Destinationen aus, allen voran beim Gan International Airport ganz im Süden des maledivischen Staatsgebiets. Mehrheitlich sind auf diesen Flügen Einheimische anzutreffen, die jedoch zu deutlich niedrigeren Tarifen transportiert werden als die Urlauber. Was wiederum zwingend notwendig macht, dass auf jeder Strecke mindestens 30 bis 40 Prozent Touristen mit an Bord gehen, um überhaupt wirtschaftlich fliegen zu können. Doch weitere Resorts sind dort sowie in der Nähe des nördlich von Gan gelegenen Khaadedhdhoo Airports, der ebenfalls von der Villa-Gruppe betrieben wird, ohnehin geplant, wenn auch von anderen Hotelgruppen. Immerhin wird der Tourismus damit auch in Gegenden angekurbelt, die ein bisschen weiter weg von Malé sind, so dass Flyme Inlands- und Touristenverkehr noch stärker kombinieren und aufgrund der Entfernung zu Malé, dem Gateway auf die Malediven schlechthin, zumindest ohne Konkurrenz zu TMAs Twin Otter – für die sind Strecken von mehr als 100 Kilometern schon nicht mehr praktikabel – agieren kann.

Sobald sich im Inlandsverkehr alles eingependelt hat, wartet auch schon die nächste Herausforderung. Managing Director Shareef schließt nicht aus, dass die Fluggesellschaft auch in das internationale Passagiergeschäft einsteigen wird. Zunächst im Regionalverkehr, der mit den ATR-Flugzeugen abgedeckt werden kann, beispielsweise nach Colombo, das bereits ab 2016 bedient werden könnte. Sollte sich das zu einem tragfähigen Segment entwickelt haben, könnte es weiter gehen, Richtung Malaysia, Richtung Dubai. Allerdings sei dies ein völlig anderes Geschäftssegment, so Shareef, und eine völlig andere Kategorie, vom Betrieb einiger Turboprops auf Langstrecken-Großraumgerät zu wechseln. Zudem handle es sich dabei um ein Segment, das bereits von den sogenannten Big Playern der Branche wie Emirates, Qatar Airways, Etihad, Turkish Airlines, British Airways, Singapore Airlines oder Korean Air  hinlänglich abgedeckt werde. Man brauche also eine Nische, irgendetwas einzigartiges, um sich von den Branchengrößen abzuheben. 

Es ist wohl damit zu rechnen, dass Flyme auch das gelingen wird. Zumindest hat die Airline es bereits in jüngster Vergangenheit geschafft, einen weitgehend gesättigten Markt aufzurollen, denn Flyme platzte damals, 2011, mitten in die Geschäfte von Trans Maldivian, Maldivian Air Taxi und der staatlichen Maldivian. Während die beiden Ersteren ihre Kräfte bündelten und zum weltweit größten Betreiber von Wasserflugzeugen fusionierten, ist Letztere im Inland und international in Richtung China, woher inzwischen ein großer Teil der Maledivenurlauber stammt, unterwegs – sowie seit Juni 2014 ebenfalls mit einer Twin Otter in der Wasserfliegerei. Auch wenn Shareef den Wasserflugbetrieb noch als Experiment bezeichnet, könnte es übrigens sein, dass dieser Geschäftszweig ausgeweitet wird: Die Anschaffung einer weiteren Caravan sei eine überschaubare Investition, doch eine Entscheidung solle erst im Laufe dieses Jahres fallen.

Nicht immer einfach ist dagegen die Frage der Flugzeug-Bereederung. Während das Kabinenpersonal von Flyme ausschließlich von Einheimischen gestellt wird, sieht es im Cockpit etwas anders aus. Zwar bemüht man sich auch hier bevorzugt um die eigenen Landsleute, schickt sie zum Training nach Asien, Europa oder in die USA, doch der Sog der rasant wachsenden asiatischen Carrier zieht auch den einen oder anderen erfahrenen maledivischen Piloten ab. Insofern sind die Fluggesellschaften ihrerseits auf ausländisches Cockpitpersonal angewiesen; mehrmals im Jahr gibt es entsprechende Screenings. Rund zehn Prozent der Flyme-Piloten sind sogenannte Expats, unter anderem aus Dänemark und Griechenland. Auch deutsche Piloten sind willkommen, wobei Ausländer prinzipiell ihr Typerating mitbringen müssen.

Brigitte Rothfischer

 

 

Interview: Im Joint Venture auf Langstrecke

Flyme Managing Director Riluwan Shareef

Brigitte Rothfischer und Dietmar Plath trafen Flymes Managing Director Riluwan Shareef in Malé zum Gespräch über die weiteren Pläne seiner Airline, langfristig auch Langstreckendienste zu den touristischen Quellmärkten einzuführen.

 

AERO: Welche Nische peilen Sie für Ihre potenziellen internationale Dienste an?

Shareef: Das wissen wir noch nicht. Unser Vorteil ist, dass wir eine maledivische Zulassung haben und damit theoretisch in jedes Land fliegen können, von dem aus auch die Malediven angeflogen werden. Wir müssen natürlich die dortigen Sicherheitsregularien erfüllen. Aber sonst gibt es zumindest keine Beschränkungen, was unsere Chancen erhöht. Anders sieht es da schon bei den Gebühren und Slots aus, denn das gibt die Rahmenbedingungen vor, zu welchen Märkten wir letztlich Zugang haben werden.

 

AERO: Und wie wollen Sie damit umgehen?

Shareef: Ich glaube, dass wir wahrscheinlich mit einem der Big Player eine Partnerschaft im Rahmen eines Joint-Ventures eingehen und irgendeine Art gemeinsamen Flugbetriebs durchführen werden, um so die nötige Erfahrung zu sammeln. Ich sehe nicht, dass wir mal eben so eine A330 kaufen und das alles im Alleingang aufstellen.

 

AERO: Wollen Sie dafür auch den Villa Airport nutzen?

Shareef: Maamigili ist eine natürliche Alternative zu Malé. Selbst wenn der Flughafen von Malé ausgebaut worden ist, wird es immer einen Bedarf für einen weiteren Airport in der Nähe geben. Wir haben ja jetzt schon immer wieder einige (Business-)Jets in Maamigili stehen. Und dort wird  vermutlich ab 2017 ebenfalls ausgebaut. Unter anderem wird die Runway, sie ist jetzt 1800 Meter lang, auf 2600 Meter verlängert und von 30 auf 45 Meter verbreitert. Die Zeichnungen sind schon alle fertig, der Ausbau muss nur noch genehmigt werden.