Berlin/Frankfurt, 24. Februar 2017 Air Berlin baut sich komplett um. Doch für den Weg dahin braucht die deutsche Nummer zwei noch mal Geld. Wer hilft diesmal? Air Berlin hängt am Tropf. Seit Jahren schon, wie ein schwerkranker Patient. Zur Rettung hat sich Deutschlands zweitgrößte Fluggesellschaft eine Radikalkur verordnet. Doch die Luft ist dünn. Die hoch […]

Berlin/Frankfurt, 24. Februar 2017

Air Berlin baut sich komplett um. Doch für den Weg dahin braucht die deutsche Nummer zwei noch mal Geld. Wer hilft diesmal?

Air Berlin hängt am Tropf. Seit Jahren schon, wie ein schwerkranker Patient. Zur Rettung hat sich Deutschlands zweitgrößte Fluggesellschaft eine Radikalkur verordnet. Doch die Luft ist dünn. Die hoch verschuldete Airline versucht, sich dringend benötigtes Geld für die nächsten Monate zu sichern. Bauen kann sie dabei fast nur auf Großaktionärin Etihad aus Abu Dhabi.

Air Berlin steckt lange in der Krise. Wie ist die aktuelle Lage?

Das Unternehmen hat den größten Umbau seiner Geschichte begonnen. Der hat vor allem mit Schrumpfen zu tun. Bis zu 1200 Arbeitsplätze gehen verloren. 38 Jets hat Air Berlin samt Besatzung an die Lufthansa vermietet. Andere Flugzeuge sollen in ein Ferienflieger-Bündnis mit Tuifly aufgehen. Die verbleibenden 75 Maschinen, die wie alle anderen auch nur geleast sind, will Air Berlin verstärkt auf Langstreckenflügen einsetzen. Experten bezweifeln, dass dieser Rest der Airline auf Dauer lebensfähig ist.

Kann das Vorhaben Air Berlin retten?

Da herrscht Skepsis. Der frühere Lufthansa-Vorstand Adrian von Dörnberg sprach Air Berlin in einem Interview des Online-Portals „Travel Tribune“ kürzlich die Existenzberechtigung ab. Die Entflechtung der Geschäftsmodelle komme viel zu spät. „Ich kann auch nicht erkennen, wie die Airline mit der neuen Ausrichtung – mit Langstrecken- und Codeshareflügen – überleben will“, sagte er.

Wie eng ist es finanziell?

Air Berlin fliegt seit Jahren rote Zahlen ein. Von Januar bis September 2016 verbuchte die Gesellschaft unterm Strich 317 Millionen Euro Verlust. Selbst im gewöhnlich lukrativen Sommerquartal reichte es nicht für einen Gewinn. Ende September standen in der Bilanz 2,9 Milliarden Euro an Verbindlichkeiten nur Vermögenswerte von 1,6 Milliarden Euro gegenüber. Die Schulden summierten sich auf mehr als eine Milliarde Euro. Das Eigenkapital, eigentlich ein Polster für schlechte Zeiten, steckt ebenfalls mit über einer Milliarde im Minus. Im Jahr 2015 legte Air Berlin bei jedem Fluggast rechnerisch rund 15 Euro drauf, statt an ihm Geld zu verdienen.

Das Unternehmen selbst will sich zur allgemeinen Finanzsituation derzeit nicht äußern. Den Geschäftsbericht für 2016 will es erst im April veröffentlichen. Auch im vergangenen Jahr lag der Bericht erst Ende April vor – wenige Tage vorher hatte sich Air Berlin noch frische Kredite aus Abu Dhabi gesichert.

Wie hält das Unternehmen das durch?

Schon seit Jahren bekommt Air Berlin fast nur noch von Etihad Geld. Die arabische Airline hält 29 Prozent an der deutschen Nummer zwei – und schoss auch auf anderen Wegen immer wieder Mittel zu. Etihad setzt die Berliner als Zubringer für ihr Langstrecken-Drehkreuz in Abu Dhabi ein. Doch die Beteiligungen an Air Berlin und der ähnlich kränkelnden Alitalia erwiesen sich als Milliardengrab.

Was versucht Air Berlin jetzt?

Das Unternehmen versucht sicherzustellen, dass es sich bis zum Start des für Herbst zu erwartenden Ferienflieger-Bündnisses über Wasser halten kann. Ein Knackpunkt: Noch diesen Freitag (24. Februar) können die Gläubiger einer millionenschweren Wandelanleihe ihr Geld zurückfordern. Sollten im Extremfall alle Anleger von diesem Recht Gebrauch machen, müsste das Unternehmen am 6. März fast 100 Millionen Euro locker machen.

Vor zwei Wochen versuchte Air Berlin, die Gläubiger mit der Aussicht auf höhere Zinsen für einen Anleihetausch zu gewinnen. Dann hätte man das Geld mindestens bis Ende 2017 sicher gehabt. Doch von den 140 Millionen Euro, die die Anleihe ursprünglich umfasste, wurden nur 41,3 Millionen in die neue getauscht – davon 40 Millionen von Etihad. Allerdings sammelte Air Berlin auch neues Geld in Höhe von 83,7 Millionen Euro ein. Für 53,7 Milliarden davon steht erneut Etihad gerade.

Wie lange kann das noch gut gehen?

So lange Air Berlin nicht zahlungsunfähig ist und eine sogenannte positive Fortführungsprognose hat. Zahlungsunfähigkeit liege vor, wenn ein Unternehmen nicht mehr in der Lage sei, mindestens 90 Prozent seiner fälligen Verbindlichkeiten zu bedienen, erläutert der Düsseldorfer Insolvenzrechtler Uwe Goetker. Eine positive Fortführungsprognose setze voraus, dass das Unternehmen im laufenden und dem folgenden Geschäftsjahr mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zahlungsfähig bleiben wird. „Hier hat ein Unternehmen sehr viel Spielraum“, sagt der Anwalt der Kanzlei McDermott Will & Emery.

Kann man das als Außenstehender einschätzen?

Laut Goetker lässt sich kaum voraussagen, wann ein Unternehmen pleite ist. „Es ist schwer absehbar, welche Wege aus der Krise der Vorstand hat“, sagt er. Es könnten neue Darlehen oder Kooperationsgeschäfte in Aussicht stehen. Schwierig könne es werden, wenn ein Unternehmen kein liquides Geschäft mehr habe.

Kann Air Berlin auf neue Unterstützung von Etihad bauen?

Bisher konnte die Lufthansa-Rivalin fest auf den großen Partner setzen. „Solange Etihad politisches Interesse hat, ist keine Insolvenz von Air Berlin zu befürchten und sind auch die Flüge gesichert“, sagt Michael Kunert von der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger. Doch am Golf deutet sich ein Strategiewechsel an. Etihads Chef James Hogan muss in der zweiten Jahreshälfte gehen. Seine aggressive Expansionsstrategie steht auf dem Prüfstand. Unklar ist, ob man sich am Golf das teure Abenteuer Air Berlin angesichts schwindender Einnahmen im Öl-Geschäft weiter leisten will.

Theresa Münch, dpa, und Steffen Weyer, dpa-AFX