Frankfurt/Main, 14. September 2014 Ehemalige Staats-Airlines in Europa haben oft ein gemeinsames Problem: Ein dichtes, aber unrentables Streckennetz. Viele Gesellschaften legen sich deshalb eine Billigflieger-Linie zu – und sparen so vor allem Personalkosten. Sie heißen Germanwings, Eurowings, Transavia und Vueling, und sie sind die Hoffnungsträger von Lufthansa, Air France, Iberia & Co. Um gegen die […]

Frankfurt/Main, 14. September 2014

Ehemalige Staats-Airlines in Europa haben oft ein gemeinsames Problem: Ein dichtes, aber unrentables Streckennetz. Viele Gesellschaften legen sich deshalb eine Billigflieger-Linie zu – und sparen so vor allem Personalkosten.

Sie heißen Germanwings, Eurowings, Transavia und Vueling, und sie sind die Hoffnungsträger von Lufthansa, Air France, Iberia & Co. Um gegen die Billig-Konkurrenz wie Ryanair und Easyjet nicht weiter an Boden zu verlieren, wollen die einstigen Staatsfluglinien europäischer Länder ihre konzerneigenen Billigheimer kräftig ausbauen – und treffen auf heftigen Widerstand der Belegschaft, die ihre Besitzstände wahren will. Doch den Konzernspitzen ist es den Konflikt wert. Sie sehen sonst kaum Hoffnung im umkämpften Europageschäft.

Die Führung von British Airways war konsequent. Als die Airline 2007 erkannte, dass das Unternehmen mit Flügen von vielen britischen Flughäfen nur Geld verlor, konzentrierte sie sich auf Mittel- und Langstreckenverbindungen ab London. 2013 verspottete der damalige Lufthansa-Chef Christoph Franz die Briten zwar als „Heathrow Airways“ – weil sie praktisch nur noch von dem gleichnamigen Flughafen aus agierten. Doch dafür hatten sie einen Verlustbringer weniger am Bein.

Die Lufthansa versucht es auf einem anderen Weg. Statt den Kampf gegen die Billigkonkurrenz aufzugeben, verlagert das Unternehmen alle Direktflüge abseits der großen Drehkreuze auf die für sie kostengünstigere Tochter Germanwings. 2015 soll der Bereich die operative Gewinnschwelle erreichen. Dass es so lange dauert, liegt auch daran, dass die Gewerkschaften dem Vorstand weitgehende Zugeständnisse bei den Gehältern abgerungen haben: Für die Piloten gelten große Teile des Konzerntarifs – einschließlich eines bezahlten Vorruhestands ab Mitte 50, um dessen Erhalt sich die Pilotenstreiks der vergangenen Wochen drehten.

Dem neuen Vorstandschef Carsten Spohr genügt das nicht. Er will die Tochter Eurowings, die bislang nur mit kleinen Regionaljets unterwegs ist, mit Airbus-Maschinen quer durch Europa schicken. Damit riskiert er einen weiteren Konflikt mit den Piloten. Deren Gewerkschaft will in den Airbus-Cockpits nämlich nur Kollegen dulden, die nach dem Konzerntarif bezahlt werden – was Spohr auf jeden Fall umgehen will. Der Manager kündigte bereits die Gründung einer ausländischen Dachgesellschaft an.

Damit findet sich die Lufthansa in guter Gesellschaft mit der französisch-niederländischen Air-France-KLM. Deren Chef Alexandre de Juniac hat die Gesellschaft 2013 zumindest operativ aus der Verlustzone geholt und baut nun auf die Tochter Transavia. Sie soll ihre Flotte auf 100 Maschinen mehr als verdoppeln und zu einem der führenden Billigflieger in Europa werden. Die französischen Piloten wollen ab Montag streiken: Sie fordern in den Transavia-Cockpits die gleichen Konditionen wie bei Air France. Für de Juniac kommt das nicht infrage. „Dann bleibt Transavia France in der bisherigen Größe, und wir entwickeln Transavia Europe“, stellte er in der „Financial Times“ klar.

Für die Führungsriegen von Lufthansa und Air France-KLM ist klar: Nur wenn Piloten und Flugbegleiter weniger verdienen, rechnen sich Flüge, mit denen Air France oder Lufthansa bei ihren hohen Kosten unweigerlich Geld verlieren würden. Dem Analysehaus Oddo zufolge muss Air France in ihrem Hauptgeschäft je angebotenem Sitzplatzkilometer rund doppelt so hohe Kosten erwirtschaften wie der irische Billig-Vorreiter Ryanair. Selbst bei Transavia lägen die Kosten etwa anderthalb Mal so hoch wie bei den Iren. Ryanair schreibt daher seit Jahren glänzende Gewinne.

British Airways und Iberia haben den Konflikt mit der Belegschaft auf die harte Weise gelöst: Nachdem sich die britische und die spanische Fluglinie zur International Airlines Group (IAG) zusammengeschlossen hatten, setzte die spanische Gesellschaft ein hartes Sanierungsprogramm durch und strich tausende Stellen. Für die Europastrecken verleibte sich IAG den spanischen Billigflieger Vueling ein, der auch die Deutsche Lufthansa unter Druck setzt. Laut einer Studie der Unternehmensberatung Prologis hat Vueling sein Flugangebot in den vergangenen Jahren mehr als verfünffacht. Durch die Übernahme des Billigfliegers mit günstigerem Personal bereiten Iberia Tarifstreitigkeiten heute deutlich weniger Kopfzerbrechen.

Steffen Weyer, dpa-AFX