27.12.2014 Auf Guernsey ist mit der Inbetriebnahme einer fabrikneuen Embraer 195 jetzt das Jetzeitalter angebrochen. Dagegen werden die Trislander, die mehr als 40 Jahre lang bei Aurigny im Dienst standen, sukzessive gegen Dornier 228 ausgetauscht. Emily ist neun Jahre alt, lebt auf der Kanalinsel Guernsey und kam nach längerer Überlegung zu folgender, inzwischen sogar auf […]

27.12.2014

Auf Guernsey ist mit der Inbetriebnahme einer fabrikneuen Embraer 195 jetzt das Jetzeitalter angebrochen. Dagegen werden die Trislander, die mehr als 40 Jahre lang bei Aurigny im Dienst standen, sukzessive gegen Dornier 228 ausgetauscht.

Emily ist neun Jahre alt, lebt auf der Kanalinsel Guernsey und kam nach längerer Überlegung zu folgender, inzwischen sogar auf einem Werbeplakat veröffentlichten Erkenntnis: „Die Queen muss unseren Jet sehr lieben, weil er so oft in London ist“. Kindesmund tut Wahrheit kund? Nun ja, fast, doch abgesehen davon, dass besagter Jet sicherlich bislang nicht die Ehre hatte, Elizabeth Nummer zwei kennen gelernt haben zu dürfen, hat die Kleine zumindest in den beiden anderen Punkten absolut Recht. Erstens: Ganz Guernsey, jeder einzelne der aktuell rund 63000 Einwohner, versteht jene Embraer 195, die die Aurigny Air Services im Juli fabrikneu eingeflottet hat, als „ihren“ Jet – und das nicht allein aufgrund der Tatsache, dass die Airline zu 100 Prozent in staatlichem Besitz ist. Und zweitens: Er ist tatsächlich oft in London, genau genommen, viermal täglich, denn der 122-Sitzer wurde speziell für die Verbindung zwischen Guernsey und Gatwick gekauft.

Diese ist geradezu essenziell für den Bailiwick (Vogtei) der britischen Krone und somit auch für die einzige Fluggesellschaft der souveränen Insel, die einen ganz besonderen Status genießt. Guernsey erlässt eigene Gesetze, hat eine eigene Währung, das Guernsey Pfund, besteht auf eine autonome Steuererhebung und ist somit ein Finanz- und Wirtschaftszentrum par excellence.

Böse Zungen sprechen von einer Steueroase, etwa 32 Prozent des Bruttosozialprodukts werden aktuell durch Finanzdienstleister (Banken, Versicherungen, Fondsgesellschaften) erwirtschaftet. Guernsey-Kenner werden jedoch nicht müde, die Einzigartigkeit dieses 78 Quadratkilometer großen Kleckses Land im Ärmelkanal, genau genommen im Golf von Saint-Malo, zu betonen. Und das lockt auch Touristen an.

 

Ausreichend Kapazität

Die eine Hälfte der Besucher kommt also, um Geld zu verdienen; die andere Hälfte, Touristen, um Geld auszugeben. Und die meisten Gäste reisen, sehr zur Freude der Aurigny Air Services, auf dem Luftweg an. Genau genommen via London. Etwa die Hälfte der 2013 gezählten Passagiere, rund 500000 an der Zahl, hat in Gatwick eingecheckt. Entsprechend nachvollziehbar ist also die Entscheidung des Unternehmens, den Service auf den Verbindungen an die Themse auf ein neues Level zu heben, als es plötzlich unvermittelt zum Monopolisten wurde.

„Als Flybe im Mai 2013 angekündigt hatte, ihre fünf mit Embraer 175 bedienten Flugverbindungen zwischen Gatwick und Guernsey Ende März 2014 einstellen zu wollen, mussten wir nach Lösungen suchen, um die entstehende Lücke zu füllen“, berichtet CEO Mark Darby. Selbst flog Aurigny zu jener Zeit sechsmal am Tag mit ATR 72 zwischen Guernsey und Gatwick. „Doch damit hätten wir den gesamten Bedarf nicht abdecken können. Wir hätten mit unseren ATR mindestens drei zusätzliche Slots benötigt, doch die sind in Gatwick schwer zu bekommen.“ Also habe man überlegt, wie man ausreichend Kapazität auf nur sechs Flügen anbieten könne und sei so schnell gedanklich bei einem Jet mit mindestens 120 Sitzen gelandet.

Jedoch drängte die Zeit. Gespräche mit Bombardier über die CSeries führten somit ins Nichts. „Wir hatten eigentlich nur die Wahl zwischen A319 und Embraer. Erstere war jedoch ebenso schnell wieder aus dem Rennen. Zum einen ist die Piste auf Guernsey für den Airbus ein bisschen kurz, zum anderen liegen die operationellen Kosten etwas höher als bei der Embraer“, berichtet Darby. Es sollte also eine Brasilianerin sein, die größte im Portfolio des Herstellers.

Aurigny hat sich für einen Kauf ab Werk entschieden, „weil alle auf dem freien Markt erhältlichen  Embraer 195 maximal 118 Sitze gehabt hätten, wir aber 122 benötigten. Außerdem versprachen wir uns von einem neuen Flugzeug eine höhere Zuverlässigkeit. Das ist essenziell, wenn man nur ein Flugzeug eines Typs betreibt. Und nicht zuletzt war es uns wichtig, eine umfangreiche technische Unterstützung zu erhalten, denn für unser Unternehmen ist der Einsatz dieses hochmodernen Jets ein riesiger technologischer Schritt“, führt der Airline-Chef rückblickend auf. Schnell sei es überdies gegangen: Bestellt wurde der Jet im August 2013, die Auslieferung erfolgte Ende Juni 2014. Darby betont: „Embraer war eben sehr interessiert daran, mit uns ins Geschäft zu kommen.“

Die dreimonatige Lücke zwischen Flybes Abschied und der Inbetriebnahme des neuen Jets überbrückte Aurigny mit der Miete einer Embraer 195 vom Wettbewerber Flybe. Darby: „Sie haben das Flugzeug gestellt und dabei gleichzeitig für das Line-Training unserer Piloten gesorgt, die Kabinenbesatzung waren unsere eigenen Mitarbeiter. So konnten wir bestens vorbereitet mit unserem eigenen Flugzeug starten.“

 

Beginn einer neuen Ära 

Mit der Inbetriebnahme der Embraer 195 brach für Aurigny Air Services ein neues Zeitalter an. Denn vorher war das 1968 von Sir Derrick Bailey auf der zum Bailiwick gehörenden Nachbarinsel Alderney (lokaler Slang: Aurigny) gegründete Unternehmen als Betreiber von Propeller-Flugzeugen bekannt. Anfangs standen Britten-Norman Islander im Service. Geflogen wurde bereits ab dem ersten Jahr zwischen den Kanalinseln, England und Frankreich. Im Juli 1971 flottete Aurigny als erste Fluggesellschaft weltweit Trislander ein, von denen sie in Hochzeiten bis zu neun Stück besaß. Somit war sie auch der weltweit größte Betreiber dieses Typs.

Ab den 1990er Jahren war das inzwischen nach Guernsey umgezogene Unternehmen zusätzlich mit Short 360 oder Saab 340 unterwegs. 2007 schließlich erhielt die vier Jahre zuvor gänzlich vom Staat Guernsey übernommene Airline von der Regierung grünes Licht für den Kauf von zwei nagelneuen ATR 72-500, die 2009 zur Flotte stießen.

Heute fliegt die Airline mit einer Embraer 195, zwei ATR 72-500, einer ATR 72-200 sowie mit drei Trislandern zu insgesamt elf Zielen. Doch die dreimotorigen Oldtimer – immerhin im Durchschnitt 37 Jahre alt und für Flüge von und nach Alderney sowie nach Dinard, Frankreich, gesetzt – werden in den kommenden Monaten jenen vier Schwestermaschinen folgen, die unlängst bereits in den Ruhestand geflogen sind. Zu Recht, wie Darby findet: „Die Trislander sind extrem teuer im Betrieb. Vor allem was den Bereich Wartung und Reparaturen anbelangt. Dazu kommt der Faktor Treibstoff. Die Dreimotorigen verbrennen schneller Geld, als man gucken kann.“ Das könne sich eine aktuell defizitär arbeitende Airline, wie sie Aurigny nun einmal sei, nicht länger leisten. 2012 betrug das Minus 12,5 Millionen Pfund, 2013 noch etwa drei Millionen Pfund – doch immerhin. „Außerdem sind die Trislander langsam, was auf der Route zwischen Alderney und Southampton extrem zum Tragen kommt, und letztlich auch sehr laut.“

Joey - das berühmte Flugzeug

Joey ist das berühmteste Flugzeug der Kanalinseln. Seit 1986 hat die Trislander sogar einen eigenen Fanclub, der sich aktuell mit Vehemenz für den Erhalt des 33 Jahre alten Oldtimers stark macht, denn Aurigny wird alle Trislander aus Kostengründen ausmustern. Foto: Dietmar Plath

 

Selbst das Ende von Joey ist somit beschlossene Sache, Wehmut hin oder her. Joey! Benannt nach seiner Registrierung G-JOEY. Allein für das berühmteste Flugzeug der Kanalinseln, das 1981 gebaut wurde und seit 1986 sogar einen eigenen Fanclub hat, ein ohnehin schon teures Maintenance-Programm aufrecht zu erhalten, wäre irrsinnig, versichert Darby. Doch eine Verschrottung dürfte ihm zumindest erspart bleiben: „Erste Überlegungen gehen dahin, Joey am Flughafen auszustellen.“

Passender Ersatz für die 16-Sitzer wurde inzwischen gefunden: Dornier 228 mit Platz für 19 Passagiere. „Dieser Flugzeugtyp kommt am besten mit der sehr kurzen Piste auf Alderney und den dort insbesondere im Winter herrschenden strammen Windbedingungen klar“, merkt der Airline-Chef an. Das erste Flugzeug dieses Typs trifft in Kürze in Guernsey ein, gekauft wurde es von der portugiesischen Groupo Seven Air. „Kurzfristig brauchen wir noch eine zweite, mittelfristig möchten wir drei Dorniers betreiben“, so Darby. Insgesamt gesehen sei man jetzt auf einem guten Weg, schwarze Zahlen zu schreiben. Aurigny möchte spätestens 2016 wieder ohne Verluste arbeiten.

Astrid Röben