19.10.2014 Die Herbstferien stehen für Urlauber bislang unter keinem guten Stern. Direkt nach dem bundesweiten Streik-Wochenende bei der Bahn treten schon wieder die Piloten der Lufthansa in den Ausstand. Berlin/Frankfurt – Kaum rollen die Züge wieder, bleiben die Lufthansa-Maschinen am Boden: Bahn-Reisende können nach dem chaotischen Streik-Wochenende aufatmen, dafür trifft der nächste Arbeitskampf die Flugpassagiere. […]

19.10.2014

Die Herbstferien stehen für Urlauber bislang unter keinem guten Stern. Direkt nach dem bundesweiten Streik-Wochenende bei der Bahn treten schon wieder die Piloten der Lufthansa in den Ausstand.

Berlin/Frankfurt – Kaum rollen die Züge wieder, bleiben die Lufthansa-Maschinen am Boden: Bahn-Reisende können nach dem chaotischen Streik-Wochenende aufatmen, dafür trifft der nächste Arbeitskampf die Flugpassagiere. Die Gewerkschaft Vereinigung Cockpit (VC) kündigte am Sonntag einen 35-stündigen Pilotenstreik an. Etwa 130 000 Passagiere kommen deshalb nicht mit dem geplanten Flieger ans Ziel.

Der Ausstand bei Europas größter Airline soll von Montag 13.00 Uhr bis Dienstagabend kurz vor Mitternacht dauern. Betroffen seien Kurz- und Mittelstreckenflüge aus Deutschland, teilte Gewerkschaftssprecher Markus Wahl in Frankfurt mit.

Nach Darstellung der Lufthansa fallen etwa 1400 von 2150 betroffenen Flügen mit insgesamt über 200 000 Passagieren aus. Rund ein Drittel – also gut 700 Flüge – könne der Konzern mit Hilfe von freiwilligen Piloten und anderen Airlines sicherstellen, so dass mehr als 70 000 Passagiere dennoch an ihr Ziel kämen.

Der Konzern warf der VC vor, «eine Stillstands-Nation aus Deutschland zu machen». Es ist inzwischen der achte Pilotenstreik bei der Lufthansa binnen eines knappen halben Jahres. In sieben Bundesländern ist der Montag der erste Tag der Herbstferien. In zwei weiteren dauern sie an, während zwei andere Länder Ferienschluss haben.

Mit Sonderflugplänen will die Lufthansa darüber informieren, welche Verbindungen trotzdem möglich sind. Der Sonderflugplan für die ersten 24 Stunden des Streiks sollte noch am Sonntagabend auf der Internetseite www.LH.com veröffentlicht werden. Der Plan für die Zeit danach wurde für Montagmittag gegen 13.00 Uhr angekündigt. Die Airline entschuldigte sich bei den betroffenen Passagieren für die Belastungen, die mit dem erneuten Streik verbunden seien. Bereits am Sonntag seien Hunderte von zusätzlichen Mitarbeitern eingesetzt worden, um die Auswirkungen für die Kunden in Grenzen zu halten.

Bereits am Wochenende hatte ein Streik der Lokführer Reisende und Urlauber auf eine enorme Geduldsprobe gestellt. Rund 70 Prozent der Fernzüge fielen aus, auch im Regionalverkehr fuhren die Züge nur nach einem Ersatzfahrplan. Der Chef der Lokführergewerkschaft GDL, Claus Weselsky, kündigte aber eine siebentägige Streikpause ab Montag an. «Ich denke, dass wir über die nächste Woche reden und dass wir dort eine Pause einlegen von mindestens sieben Tagen», sagte er am Samstagabend im «heute journal» des ZDF.

Genau in diese Pause sticht nun der Ausstand der Piloten. «Es ist traurig, dass wir nun zum achten Mal streiken müssen», sagte VC-Sprecher Wahl, der Bedauern über Unannehmlichkeiten für die Passagiere äußerte. Bestreikt würden Maschinen aus der Airbus-A320-Familie sowie der Typen Boeing 737 und Embraer.

Langstreckenflüge sind nach Lufthansa-Angaben nicht betroffen, genauso wie Verbindungen von Konzern-Gesellschaften wie Germanwings, Swiss oder Austrian Airlines.

In dem Tarifkonflikt geht es um die sogenannte Übergangsversorgung. Die Lufthansa will, dass ihre Piloten später als bisher in den bezahlten Vorruhestand gehen – die Gewerkschaft wehrt sich dagegen. Die Lufthansa veröffentlichte am Sonntagabend einen Sonderflugplan für die ersten 24 Stunden des Streiks, am Montag sollte ein zweiter folgen.

Die Fluggesellschaft bezeichnete die Streikankündigung in einer Mitteilung als «vollkommen unverständlich und unverhältnismäßig» – und forderte politische Folgen: Die anhaltende Streikserie zeige, dass es beim Streikrecht in Deutschland für Unternehmen der kritischen Verkehrsinfrastruktur dringenden und eiligen Handlungsbedarf gebe.

Erst vergangene Woche hatte Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) im RBB-Inforadio gesagt, dass sie ihren geplanten Gesetzentwurf zur Tarifeinheit Anfang November vorlegen wolle. Bei der Tarifeinheit geht es darum, in Großunternehmen mit mehreren Gewerkschaften ein annähernd einheitliches System von Lohn- und Arbeitsbedingungen sicherzustellen, damit kleine schlagkräftige Spartengewerkschaften ihre Partikularinteressen nicht auf Kosten anderer Beschäftigter durchsetzen können. Dies würde dann auch für Lokführer und Piloten relevant.

Bei den Reisenden stoßen die erneuten Streiks auf wenig Verständnis. In den sozialen Netzwerken reagierten Nutzer oft spöttisch. Die GDL hatte ein kurzfristiges Angebot der Bahn am Freitag abgeschmettert und wollte ihre harte Linie bis zum frühen Montagmorgen durchziehen.

Nach dem Tarifangebot sollten die Lokführer eine dreistufige Einkommenserhöhung um insgesamt 5 Prozent bei einer Vertragslaufzeit von 30 Monaten bekommen. Bedingung der GDL für Tarifgespräche mit der Bahn ist es aber, neben den Lokführern auch für das übrige Zugpersonal wie Zugbegleiter oder Bordgastronomen zu verhandeln. Für diese Berufsgruppen führt die größere Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) bisher die Gespräche.

Am Sonntag sorgte ein Zeitungsbericht für zusätzlichen Unmut bei vielen Betroffenen. Demnach könnte die GDL bei ihrer Urabstimmung zum Streik geschummelt haben. Die Gewerkschaft bestritt das vehement.

Die «Bild am Sonntag» hatte berichtet, es bestünden Zweifel, ob wirklich die erforderliche Mehrheit zustande kam. Eine Bahn-Sprecherin forderte auf Anfrage der Nachrichtenagentur dpa Klarheit: «Schon im ureigenen Interesse und dem ihrer Mitglieder muss die GDL das möglichst schnell und lückenlos aufklären.»

Sophia Weimer, dpa