25.03.2015 Seyne-les-Alpes – Hubschrauber donnern über Seyne-les-Alpes. Von dem kleinen Bergdorf aus fliegen sie zur Absturzstelle der Germanwings-Maschine in den französischen Hochalpen. «Ich bin oft zum Jagen dort oben», sagt der pensionierte Feuerwehrmann Louis Boisson bei seinem täglichen Espresso im Café und blickt in die Richtung der schneebedeckten Bergkette. Der 75-jährige ist etwas genervt, hat […]

25.03.2015

Seyne-les-Alpes – Hubschrauber donnern über Seyne-les-Alpes. Von dem kleinen Bergdorf aus fliegen sie zur Absturzstelle der Germanwings-Maschine in den französischen Hochalpen. «Ich bin oft zum Jagen dort oben», sagt der pensionierte Feuerwehrmann Louis Boisson bei seinem täglichen Espresso im Café und blickt in die Richtung der schneebedeckten Bergkette. Der 75-jährige ist etwas genervt, hat aber auch Verständnis für die Unruhe, die Journalisten aus ganz Europa in den sonst so beschaulichen Ort gebracht haben. «Das ist ja nicht nur für uns eine Tragödie, sondern für die ganze Welt.»  

Der Felsen im Massiv des Tête de l’Estrop (Gipfel bei 2961 Metern), an dem am Dienstag der Airbus A320 der Lufthansa-Tochter zerschellte, liegt nur 15 Kilometer entfernt. Bilder der Flüge vom Vortag zeigen zahllose Trümmerteile in den Felsen. Auf einem Video scheint sogar ein Teil des Germanwings-Logo zu erkennbar zu sein.

Der Zugang ist extrem schwierig. Das Gelände ist unwegsam. «Wir sind hier im Hochgebirge», sagt Polizeichef David Galtier über den Unfallort. Er koordiniert die mehr als 500 Einsatzkräfte – und bleibt kurz angebunden. Der Einsatz hat Priorität.

In der Nacht hat es geschneit. Das dürfte die Suche zusätzlich erschweren. Am Unfallort gab es am Vorabend noch rauchende Trümmerteile. «Man muss mit äußerster Vorsicht vorgehen», sagt Galtier.

Alle 150 Menschen an Bord sind bei dem Absturz am Dienstag wohl ums Leben gekommen, unter ihnen vermutlich 67 Deutsche. Es ist einer der schwersten Unfälle in der deutschen Luftfahrtgeschichte. «Das Wichtigste ist, das Gebiet abzusichern und die Leichen zu bergen», sagt Galtier.

Am Dienstagabend waren rund 50 Spezialkräfte zu Fuß von Seyne gestartet, um zur Unglücksstelle vorzudringen. Von der Siedlung Vernet aus sei das selbst für geübte Bergwanderer ein Weg von vier Stunden, sagt Boisson. Über Nacht biwakierten sie im Freien – bei Temperaturen um oder unter dem Gefrierpunkt. «Sie wollten kein Risiko eingehen», erklärt Innenministeriumssprecher Pierre-Henri Bardet.

Angehörige der Opfer werden in dem 1500-Seelen-Ort erwartet. Sie werden psychologisch betreut, sagte Innenministeriumssprecher Pierre-Henri Bardet. Für sie wurde eine Art Kapelle eingerichtet – ein Ort zum Trauern. Wann die sterblichen Überreste ihrer Angehörigen geborgen werden können, ist unklar. «Ein Timing zu geben, ist unmöglich», sagt Bardet. Unklar ist auch, wo sie aufgebahrt werden.

«Auf eine solche Katastrophe sind wir nicht vorbereitet», sagt Fanette Borel von der Gemeindeverwaltung – «aber wie könnte man sich auch darauf vorbereiten?!» Viele Bewohner in der dünn besiedelten Region haben sofort Hilfe angeboten. Ghislaine Payanne ist aus dem Nachbardorf Selonnet gekommen: «Ich habe in der Verwaltung angeboten, zwei Familien von Angehörigen aufzunehmen. Wir möchten gerne den verzweifelten Menschen beistehen, die jetzt aus Deutschland an diesen Ort der Tragöde kommen.»

Die ganze Gemeinde steht unter Schock. Auf den Straßen gibt es kein anderes Thema. Die Flugzeugkatastrophe hat Seyne-les-Alpes von einem Moment zum anderen aus seiner stillen Beschaulichkeit gerissen. Polizisten fahren auf Motorrädern durch die engen Straßen, bereiten den Besuch von Bundeskanzlerin Angela Merkel, Spaniens Ministerpräsident Mariano Rajoy und des französischen Staatspräsidenten François Hollande vor.

«Ich liebe es, im Sommer in den Bergen zu wandern, war auch oft in den Felsen nahe der Absturzstelle», sagt Payanne. In der unberührten Natur gebe es sogar noch Wölfe. Der nur langsam einsetzende Frühling aber ist in diesem Jahr so traurig wie nie. «Die Menschen hier werden Monate brauchen, um diese Tragödie zu verarbeiten», sagt die ehemalige Altenheimdirektorin. «Aber es wird die Zeit kommen, in der diese Region ihre Ruhe wiederfindet.» (dpa)